Klimaschutz und Flugverkehr: Gericht stoppt Heathrow-Erweiterung
Klimaschutz hat Vorrang vor Wirtschaftswachstum, sagt der Richter. Die Pariser Verträge zum Klimaschutz sieht er als rechtlich bindend.
Die Regierung der damaligen Premierministerin Theresa May habe bei der Genehmigung des Baus die Zusagen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens ignoriert, lautete nun die Begründung des Berufungsgerichts unter Vorsitz von Lordrichter Lindblom. Dieses Abkommen hätte im Planungsverfahren berücksichtigt werden müssen. Doch ein entsprechendes Gutachten, wie es das Gesetz verlange, sei nicht vorgelegt worden.
Der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, John Holland-Kaye, hatte am Mittwochabend noch versucht, die Gerichtsentscheidung zu beeinflussen. „Die Erweiterung des Flughafens ist der Schlüssel für Boris Johnsons Vision von einem globalen Großbritannien“, hatte er in einem Radio-Interview behauptet. Die Startbahn sei insbesondere wegen des Brexit wichtig für die Wirtschaft.
Bis auf den Klimaschutz seien alle anderen Punkte der Klageschrift – wie Lärmschutz, erhöhtes Verkehrsaufkommen und Kosten – vom Gericht abgewiesen worden, so dass die Sache durchaus reparierbar sei, hofft er: „Wir sind zuversichtlich, dass wir vor dem Obersten Gerichtshof Erfolg haben werden.“
Pariser Verträge sind bindend
Johnson erklärte im Namen der Regierung hingegen, auf eine Berufung zu verzichten. Der Premierminister war von Anfang an gegen das Projekt und hatte angekündigt, sich vor die Bulldozer zu werfen, um den Bau zu verhindern.
Dass er sich seinen Anzug nun nicht schmutzig machen muss, verdankt er dem Londoner Labour-Bürgermeister Sadiq Khan, der gemeinsam mit Umweltschutzorganisationen wie Friends of the Earth und Greenpeace sowie mit Anwohnern die Klage eingereicht hatte. „Wir haben gewonnen“, sagte Khan nach der Urteilsverkündung. „Wir haben die Pläne der Tory-Regierung zum Bau einer dritten Startbahn vereitelt.“
Tim Crosland von der juristischen Stiftung Plan B, einer weiteren Klägerin, sagte: „Nun ist klar, dass die Regierung nicht ihre Verpflichtung zum Pariser Abkommen bekräftigen und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen kann, die das Abkommen eklatant untergraben.“ Großbritannien hat sich voriges Jahr ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzlich verordnet. Bis 2050 soll der Netto-Beitrag zur Erderwärmung auf Null sinken. Die 14 Milliarden Pfund teure neue Start- und Landebahn, die bis 2028 fertig gestellt sein sollte, hätte jedoch zu 700 zusätzlichen Flugzeugen pro Tag mit all ihren Emissionen geführt.
Das Urteil habe globale Folgen, sagt Margaretha Wewerinke-Singh, Expertin für internationales Recht an der niederländischen Universität Leiden. „Zum ersten Mal hat ein Gericht bestätigt“, sagte sie dem Guardian, „dass die im Pariser Abkommen festgeschriebenen Klimaziele rechtlich bindend sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative