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Klimaschutz in BerlinGünther macht ernst

Kommentar von Claudius Prößer

Mit ihren Klimaschutzvorschlägen will die grüne Umweltsenatorin Planungssicherheit geben – manche Koalitionspartner sind schockiert.

Hat sich Gedanken gemacht: Berlins grüne Umweltsenatorin Regine Günther Foto: dpa

W ie lautet noch mal das Unwort des Jahres 2019? Richtig, „Klimahysterie“. Soll man nicht verwenden, aber ich mach’s jetzt trotzdem: Klimahysterie ist, wenn die Berliner Volksinitiative Klimanotstand am Donnerstag twittert: „Heute hat der Ausschuss für Umwelt, Verkehr und KLIMA im @AGH_Berlin seinen Offenbarungseid geleistet. Nach vier Monaten keinen Beschluss zum #Klimanotstand. Damit beerdigt #R2G die Pariser Klimaschutzziele. Wir brauchen endlich eine echte Klimapartei für Berlin!!“

Richtig ist: Am 30. Januar wird das Plenum des Abgeordnetenhauses Stellung zur Volksinitiative beziehen. Dass sich die Koalitionsfraktionen im Ausschuss nicht vorher schon äußern konnten, lag daran, dass die SPD sich zierte – die wollte erst mal eine eigene Klimadebatte auf ihrer an diesem Wochenende in Nürnberg stattfindenden Jahresklausur austragen. Beerdigt ist deswegen jedenfalls ziemlich genau gar nichts.

Richtig spannend wird es ohnehin erst, wenn der Senat sich am kommenden Dienstag mit der in der vergangenen Woche bereits geleakten Vorlage von Regine Günther befasst. Die grüne Klimaschutzsenatorin hat darin viele grüne Forderungen zur CO2-Reduktion im Wohnungs-, Energie- und Verkehrssektor gebündelt, darunter die Solarpflicht für Neubauten, aber auch das Vorhaben, Pkw, die fossile Treibstoffe verbrennen, ab 2030 aus dem S-Bahn-Ring und ab 2035 aus der gesamten Stadt zu verbannen.

Das finden die AutofetischistInnen der Opposition natürlich fundamentalistisch

Das finden die AutofetischistInnen der Opposition natürlich fundamentalistisch, aber auch bei manchen Koalitionären werden da neuralgische Punkte gekitzelt. Skepsis äußerten der SPD-Vizefraktionschef Jörg Stroedter und der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Kristian Ronneburg. Letzterer merkte an, E-Autos seien einfach noch nicht „massen- und alltagstauglich“, eine solche Pflicht lasse sich momentan sozialpolitisch nicht rechtfertigen.

Darauf meldete sich dann sogar Regine Günther noch einmal zu Wort, obwohl sie der Debatte „nicht vorgreifen“ wollte: Erstens werde die angedachte Auto-Wende von einem massiven Ausbau des ÖPNV flankiert, zweitens habe die Fahrzeugindustrie bereits zugesagt, zeitnah Elektroautos zu vertretbaren Preisen anzubieten. „Gerade weil wir frühzeitig ankündigen, wohin die Reise im Verlauf des nächsten Erneuerungszyklus für die Fahrzeugflotten geht, schaffen wir Planungssicherheit für alle und vermeiden soziale und wirtschaftliche Härten.“

Ja, es gibt noch viel Gesprächsbedarf. Und nein, von Tagen oder Wochen hängt die Rettung des Weltklimas dann auch nicht ab.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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3 Kommentare

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  • Äh? Ist eine Festlegung auf eine bestimmte Antriebstechnik nicht eine Bevorzugung bestimmter Hersteller? Es sind ja durchaus auch noch andere Antriebstechniken in der Entwicklung. Ginge es nicht eher um den CO²-Ausstoß?

  • Und woher kommt denn dann der ganze Stromm daher für diese Fehikel? Wir sollten die Motoren und Bakterien vernachlässigen und Treträder einbauen und gute Übersetzungen für neue, noch zu entwickelnde Riemenantriebe der Zukunft, die ohne Reibung funktionukkeln - dann wird das was!

  • Erstens hat Berlin überhaupt keine Gesetzgebungskompetenz um Autos aus der Stadt zu verbannen und zweitens besteht ein Automarkt nicht nur aus dem Erst- sondern auch aus einem Zweitmarkt. Es ist im besten Fall zweifelhaft, ob es bis 2030 genügend gebrauchte E-Autos geben wird. Naja und den öffentlichen Nahverkehr kann man (ausgenommen einige Hotspots auf der Kurfürstenstraße) eh knicken.