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Klimaschutz im Flugverkehr fehltEs stinkt zum Himmel

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Luftfahrtindustrie lässt sich mit Milliarden retten. Und verabschiedet sich bei der Gelegenheit vom Klimaschutz.

Die Luftfahrtindustrie nutzt die Pandemie, um sich aus ihrer Verpflichtung davonzustehlen Foto: dpa

W er sich in ein Flugzeug setzt, sollte sich klar darüber sein, wem er da sein Geld für ein Ticket überweist. Die Luftfahrtindustrie lässt einerseits den alten Traum vom Fliegen zur Wirklichkeit werden, führt Menschen und Kulturen zusammen und schafft Millionen von Jobs. Sie ist aber andererseits auch ein Netzwerk aus Herstellern, Fluglinien, Behörden und Politik, das ungebremst, ungestraft und ohne jeden Skrupel die Umwelt zerstört. Das zeigt sich daran, wie die UN-Luftfahrtorganisation ICAO jetzt ihr ohnehin schwaches Klimaprogramm CORSIA verwässern will.

Ein Skandal reiht sich hier an den anderen: Denn wahrscheinlich würde das Klimaschutzprogramm die Airlines kaum mehr belasten als geplant, zeigen Studien. Die Industrie nutzt einfach die Pandemie, um sich aus ihrer Verpflichtung davonzustehlen. Anders als in praktisch allen anderen Bereichen der Wirtschaft gibt es hier keine Emis­sions­obergrenzen, werden keine Steuern auf Tickets und Kerosin erhoben und wird nur in Europa der Verkehr dem Emissionshandel unterworfen. Für ihre erschreckende Umweltbilanz muss die Fliegerei nicht geradestehen. Trotzdem werden Airlines mit Steuermilliarden gerettet, soziale und ökologische Bedingungen spielen keine Rolle.

Der noch größere Skandal ist aber, wie beim Fliegen die Politik abhebt. Die ICAO wurde von den Staaten gegründet, um die Fliegerei populär zu machen. Das ist auf fatale Weise geglückt. Ihre Regeln sehen nicht vor, den Fliegern Grenzen zu setzen. Im Gegenteil: Die ICAO, ein Gremium der Vereinten Nationen, fällt ihre Entscheidungen hinter verschlossenen Türen. Welche Regierung mit welcher Lobby kungelt, bleibt geheim.

Da fällt es auch nicht auf, dass Deutschland und die EU-Kommission mitten in den Debatten zu Green Deal und Klimaneutralität diesen Anschlag auf den Klimaschutz mittragen. Nur zur Erinnerung: Es sind die gleichen Staaten und ihre Vertreter, die sich auf UN-Klimakonferenzen für große Ziele feiern lassen – und dann im Konkreten, bei einer anderen UN-Organisation wie der ICAO, diese Ziele torpedieren.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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8 Kommentare

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  • Was soll immer dieses Airline bashing?



    gerade unsere Lufthansa war eine der Fluggesellschaften die immer modernes Fluggerät kaufen, oder auch mal Biosprit im Realbetrieb testen.

    Was wird da erwartet? Das eine Airline sich selbst ab schaft und Flüge streicht?

    Und Bitte auch mal beachten: heute werden aus Triebwerken mit gigantischen Materialschlachten die letzten Prozent Wirkungsgrad raus gequetscht - was heute möglich ist.



    Und jeder erwartet dabei das die Sicherheit steigt und nicht sinkt.

    Bereits heute haben Wissenschaftler neue Flugzeugkonzepte in den Schubladen. Bereits in 15 Jahren könnten erste Flüge teil-elektrisch erfolgen. Und nein schneller kann man in der Luftfahrt keine komplett neue Technik auf Millionen Passagiere los lassen.

    Wer will das weniger geflogen wird muss das politisch umsetzen... mit zigtausenden Arbeitslosen, und anderen Verkehrsmitteln die diese Last Stand heute nicht tragen können und selbst wenn man heute starten würde mit dem Ausbau, es auch eher 15 statt 10 Jahre dauern würde (Klagen der Anwohner gegen neue Bahnstrecken mal nicht beachtet)

    Wer gegen das Fliegen ist sollte sich bitte nur mit vernünftigen, praktikablen Alternativvorschlägen zu Wort melden. Danke!

    • @danny schneider:

      Ist doch gerechtfertigt. Während die immer deutlicher wird vor welche Herausforderungen uns die Klimakatastrophe stellt, wollen Airlines immer weiter wachsen. Was bleibt einem da übrig als Bashing? Soll ich Mitleid haben?



      Keiner scheint ernsthaft ein Interesse daran zu haben, etwas zum Klimaschutz beizutragen. Kurzstreckenflüge streichen wäre eine ganz einfache Maßnahme. Immer wird alles auf die Politik geschoben. Unternehmerische Verantwortung existiert wohl nicht. Da ist immer alles gerechtfertigt, solange es den wirtschaftlichen Interessen genügt. Und man hat dafür auch noch größtes Verständnis. Ist doch klar, dass die so agieren hört man immer wieder. Nein, das ist überhaupt nicht klar. In was für einer verdrehten Welt leben wir eigentlich? Statt sich durch Hintertüren gesetzliche Erleichterungen zu erwirken, könnten Unternehmen auch einfach mal den ersten Schritt gehen.

      • @Jaques:

        PS: Laut Recht wäre ein Vorstand einer AG der wissentlich das Geschäft schädigt dafür haftbar.

        Die dürften Kurzstreckenflüge nicht einmal streichen wenn sie es wollten.

        • @danny schneider:

          der witz ist das kurzstreckenflüge sich wirtschaftlich überhaupt nicht lohnen. es ist also eher geschäftschädigend diese beizubehalten. die lufthansa macht mit innerdeutschen flügen keinen gewinn.



          was geschäftschädigend ist oder nicht ist letztendlich eine frage der perspektive oder gibt es da rein objektive Kriterien? ist bei einem langfristig auch wirtschaftlich nicht nachhaltigem Geschäftsmodell überhaupt irgendeine Tätigkeit nicht geschäftsschädigen? Ist es nicht maßlos geschäftschädigend den planeten zu zerstören, sodass langfristig sowieso alle den laden zu machen können.

  • Grüne am Himmel

    Auch viele Grüne nutzen den Flugverkehr selbst für kurze Trips.



    Das ist nicht nur meine Beobachtung.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Der alarmistische Tenor dieses Artikel hätte wohl nur dann seine Berechtigung, wenn von einer mittelfristigen "Normalisierung" auf Vor-Corona-Niveau ausgegangen wird. Aktuell machen ganz andere Alarmmeldungen die Runde:

    www.tagesspiegel.d...itik/25908074.html

    Primär ökologisch betrachtet, ist ein geschlossener oder nur gering frequentierter Flughafen wohl das Beste, was dem klimaschädlichen CO2-Ausstoß passieren kann. Alle grünen Vöglein fiegen hoch, hoch, hoch ...

    Als potentieller Flieger muß man schon nahe am Masochismus gebaut sein, um sich das freiwillig zuzumuten. Was beim Abflug und bei der Landung auf einen wartet, mit einem gemacht wird bzw. welche Rahmenbedingungen gerade gelten, das dürfte vielfach der Willkür einzelner, sich zuständig fühlenden Behörden geschuldet sein und kann je nach ausgerufener Bedrohungslage gar täglich wechseln; vollumfängliche, dauerhafte Maskierung eingeschlossen.

    Und speziell der BER leidet und stirbt ggf. nicht "an" Corona, sondern "mit" Corona, hat diverse ernsthafte Vorerkrankungen, die für sich genommen bereits endloses finanzielles Leid bedeuten.

    Freunde von uns wohnen in Blankenfelde, der An/Abflugschneise und haben immer noch die (geringe) Hoffnung, dass Irgendwer irgendwann die Reißleine zieht.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Alarmistisch? Nüchtern, würde ich eher sagen.

  • CORSIA sollte 2021 starten. Das wird jetzt vertagt. Nichtsdestotrotz geht die Erprobung von kohlenstoffärmeren Treibstoffen und die Kooperation zwischen 82 Staaten natürlich weiter.