Klimakrise in der Lausitz: Was nach der Kohle kommt
Welche Zukunft hat die Lausitz nach der Braunkohle? Bei einer taz-Verstaltung vor Ort streiten Aktivist*innen und Kohlearbeiter*innen.
Auf der einen Seite sitzen Rebekka Schwarzbach, Aktivistin in der Umweltgruppe Cottbus, die sich für eine klimagerechte Zukunft in der Lausitz einsetzt, und René Schuster, Leiter der Bundeskontaktstelle Braunkohle des Umweltnetzwerkes Grüne Liga.
Auf der anderen Seite der Bühne sitzen Silke Butzlaff, die seit 37 Jahren den Eimerkettenbagger im Brandenburger Tagebau Welzow-Süd steuert und sich in der “Initiative zur Erhaltung der Deutschen Bergbaureviere“ engagiert. Neben ihr sitzt der Techniker Lars Katzmarek, der stellvertretender Vorsitzender des Vereins “Pro Lausitzer Braunkohle“ ist und als Musiker über sie singt.
Auf die beiden freien Stühle in die Mitte setzen sich schließlich noch Laura Staudacher von der FDP in Cottbus und Christine Herntier, die Bürgermeisterin von Spremberg, die ein Grußwort spricht.
Was bedeutet die Energiewende ganz konkret vor Ort? Wir als taz reisen für eine Reportageserie in Dörfer und Städte, in denen um die Energiezukunft und die Folgen der Klimakrise gerungen und gestritten wird. Alle Texte, lokalen Veranstaltungen und Videos finde Sie unter taz.de/klimaland.
Schwarzer Rauch über der Lausitz
Wer aus Cottbus zu dieser Veranstaltung in Spremberg fuhr, sah schon von Weitem zwischen dichten, aufgeforsteten Nadelfeldern und Feldern eine große, dunkelgraue Rauchsäule. Diese gehört zum Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe, oder wie es im Niedersorbischen heißt, “Carna Plumpa“. Hier, direkt am Kraftwerksgelände im Gründerzentrum Dock 3 Lausitz, wird an diesem Abend gestritten.
Beim ersten taz klimaland Talk, moderiert von taz-Redakteur Jan Feddersen, diskutieren fünf Gäste. Erste Frage: Was kommt in der Lausitz nach der Kohle? Die Klimaaktivist*innen und Akteur*innen aus der Braunkohle-Industrie sitzen zum ersten Mal gemeinsam auf einem Podium. Was kann in der Region gegen die Klimakrise getan werden? Und was gegen den Abzug von jungen Menschen, die verseuchten und sauren Böden oder die drohende Arbeitslosigkeit vieler Kohlekumpel?
Das Grußwort der Bürgermeisterin Christine Herntier, eine Lobeshymne des Industriestandorts Lausitz, wird direkt im Anschluss von der Umweltaktivistin Rebekka Schwarzbach in Relation gesetzt. Dürre, Wassermangel und die Frage nach dem finalen Ende der Kohle beschäftigen die Cottbuserin.
René Schuster von der Grünen Liga macht mit einem sehr realitätsnahen Beispiel auf die aktuelle klimatische Ausnahmesituation aufmerksam. Er muss schon jetzt im Juni darüber entscheiden, ob seine private Schafherde genügend Gras in den Folgemonaten übrig hat. Sollte es nicht bald regnen, biebe ihm nur noch die Notschlachtung.
Mit erhobener Stimme mahnt die Bürgermeisterin, dass “Krisenszenarien keinem weiterhelfen. Es geht darum, Antworten zu finden.“ Ein Beispiel: Der Solarpark Spremberg, nach dem Konzept des Energiekonzerns Vattenfall, soll um 150 Hektar wachsen. Doch die Planung dieses Parks steckt noch in den Anfängen.
Dabei ist schnelles Handeln in der Region nötig. Von den zehn größten CO2-Emittenten Europas liegen allein drei in der Lausitz – allesamt sind Kohlekraftwerke. Auch in der sozialen Frage steckt Druck: Allein die an das Kraftwerk angrenzende sächsische Stadt Hoyerswerda verlor seit der Wiedervereinigung über die Hälfte seiner Einwohner:innen durch Abzug.
Ein Strukturwandel funktioniere nur mit jungen Menschen, erläutert Rebekka Schwarzbach. Die kämen aber nur in einen Ort, der lebenswert sei. “Wenn hier aber alles vertrocknet und die ganzen Wälder verbrannt sind, kommt keiner hierher, um den Strukturwandel voranzubringen, egal, welches Gehalt sie bieten.“
Die Runde begegnet sich mit immer ernsterer Mine. Alle wollen den Strukturwandel, aber auf wessen Kosten, ist nicht geklärt. Und dann ist da noch die Frage: Wie verschiebt der Krieg in der Ukraine die Positionen, um die hier gerungen wird?
“Wir wollen diese Energiewende greifbar realisieren, und wir haben hier richtig Bock drauf“, sagt Lars Katzmarek. Dabei ginge es auch um Energieunabhängigkeit von Russland. Allerdings klingen aber einige seiner Vorschläge sehr realitätsfern, wie der des Baus einer Wasserpipeline von der Ostsee zum Wasserstoffspeicherkraftwerk in der Lausitz. Das “Referenzkraftwerk Lausitz“ soll als Speicherkraftwerk auf Wasserstoffbasis im Jahre 2025 in Betrieb gehen. Woher das Wasser für die Energieerzeugung herkommt, ist bis dato ungeklärt.
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Die Reaktionen aus dem Publikum sowie bei Schuster und Schwarzbach zeugen von Unverständnis. Die Liberale Laura Staudacher bringt Atomkraft und Fracking ins Spiel. Direkte Einsparmöglichkeiten von fossilen Energien, wie durch ein Tempolimit, hält die Pressesprecherin der FDP Brandenburg für unnötig: “Ich halte solche Vorschläge für eine Fetisch-Debatte von Menschen, die es mögen, die Freiheit anderer einzuschränken.“
Das ist der Punkt, an dem die Diskussion an Emotionalität gewinnt. Baggerfahrerin Silke Butzlaff sagt, ihr fehle bei den Aktivist*innen der Respekt gegenüber ihrer Branche und dem, was sie jahrzehntelang für das Land geleistet habe. “Ich habe das Gefühl, die Klimakrise geht ausschließlich von der Lausitz aus. Immer höre ich nur Kritik über Kritik, dabei wird hier so viel getan für den Klimaschutz.“
Sowohl die Baggerfahrerin Butzlaff als auch die Aktivistin Schwarzbach beschreiben einander abwechselnd gewaltsame Szenen, welche sie erfahren haben, wenn sie in der Öffentlichkeit für ihre Positionen einstanden.
Nach einer minutenlangen Auseinandersetzung kommen alle Parteien in der Runde zum ersten Konsens. Gewalt als Mittel der Durchsetzung von Forderungen lehnen alle konsequent ab. Doch diese emotionale Wendung führt tatsächlich zu einem milderen Ton im weiteren Verlauf.
Lars Katzmarek bietet den Aktivist:innen von FridaysForFuture weitere Gespräche mit ihm und seinem Verein an, und auch die Eimerkettenbaggerfahrerin Butzlaff unterbreitet der Umweltaktivistin Schwarzbach das Angebot, sie auf einen Rundgang durch den Tagebau Welzow-Süd zu führen. Die zwei Stühle Abstand, die inhaltlichen Differenzen, sie sind noch da. Die Klimakrise auch. Aber ein Gespräch hat begonnen.
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