Klimakonferenz in Poznan: EU verspielt Führungsrolle
Kompromisssuche in Warschau, Frust in Poznan: Der Streit übers EU-Klimapaket gefährdet die internationalen Verhandlungen. Zudem fehlen handlungsfähige USA.
Zwei Tage vor dem Brüsseler EU-Gipfel haben Deutschland und Polen "vorsichtigen Optimismus" bekundet, dass ein Kompromiss zum Klimapaket gefunden wird. "Ein Veto Polens ist unwahrscheinlich", erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Polens Ministerpräsident Donald Tusk nach gemeinsamen deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau. Auf der Tagesordnung standen sowohl Polens Veto gegen den Emissionshandel als auch die von Merkel geforderten Ausnahmen für die deutsche Industrie.
Merkel äußerte Verständnis für Polens Wunsch nach Sonderrechten beim Handel mit CO2-Zertifikaten. Umweltverbände befürchten darum, dass die beiden Länder lediglich ihre Verhandlungsstrategien für den Gipfel abgestimmt haben. Hunderte Demonstranten skandierten vor dem Regierungssitz: "Ja zum Klima, Nein zur Kohle."
Viele der Demonstranten waren aus der polnischen Stadt Poznan angereist, wo derzeit der UN-Klimagipfel tagt. Dort ist die Stimmung angesichts der sich abzeichnenden Aufweichung der EU-Klimaziele miserabel. "Es ist eine Katastrophe, das macht alles überhaupt keinen Sinn", erklärt ein Vertreter der G 77. Ein anderer sagt: "Uns fehlt der Verhandlungspartner!"
Der Zorn ist noch nicht so weit gewachsen, dass sich die Diplomaten auch offiziell - also namentlich - zu solchen Statements auf den Fluren der Weltklimakonferenz hinreißen lassen. Tatsächlich aber haben sie recht: Einerseits nehmen sie die Europäische Union - bislang Wegbereiter - auf dem Weg zu ihrem Klima- und Energiepaket als wenig ambitioniert und stark zerstritten wahr. Andererseits ist keine handlungsfähige amerikanische Regierung in Poznan.
"Wir sind an einem unglaublich wichtigen Punkt", erklärte Yvo de Boer, Chef des UN-Klimasekretariats: "Jetzt wird sich zeigen, was die Politik tatsächlich in der Lage ist zu leisten". Ohne die Europäische Union explizit anzusprechen, sagte de Boer, ohne Führung kämen die Verhandlungen nicht vorwärts. Auch deutsche Umweltverbände und Kirchen warnten erneut vor einem Aufweichen der Klimaziele. Merkel dürfe keine "Kehrtwende im Klimaschutz" machen, forderte das Bündnis Klima-Allianz.
In welchem Ausmaß die EU den Emissionshandel aufweichen wird, ist noch offen. Eine Einigung gibt es bereits bei zwei anderen Fragen: Die Mehrheit des Europa-Parlamentes stimmte am Dienstag einem Kompromiss zu, den die Energieminister der 27 EU-Staaten am Vortag ausgehandelt hatten. Demnach sollen 2020 "mindestens" 20 Prozent des Energieverbrauchs der EU erneuerbar gedeckt werden. Deutschland muss nach der EU-Richtlinie bis 2020 seinen Anteil an erneuerbaren Energien auf 18 Prozent steigern. Allerdings soll dieses Ziel 2014 noch einmal überprüft werden. Die zweite Einigung betrifft die CO2-Grenzwerte für Autos: Deutschland hatte sich durchgesetzt und den Grenzwert von 120 Gramm je Kilometer ab 2012 auf 130 Gramm ab 2015 verschoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid