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Klimakonferenz-Kauderwelsch verstehenAbkürzisch und irgendein Englisch

Offiziell sprechen die Delegierten Englisch. In Wahrheit pflegen sie ein Fachsprech, das nur noch Eingeweihte kapieren. Kann man so die Welt retten?

Hä? Was sagt der da? Bild: ap

LIMA taz | Zwei deutsche Delegierte treffen sich am Abend vor einem der großen Zelte, in denen den ganzen Tag um die Rettung der Welt gerungen wurde. „Wir hatten gerade Stocktaking“, sagt der eine. „Was der Chair im SBSTA getablet hat, war ein No-Go.“ Darauf seine Kollegin: „Ich frage mich die ganze Zeit, wann sie gegen die Firewall krachen.“

Die Klimadiplomatie ist eine eigene Welt. Sie hat ihre eigene Logik, ihre eigene Polizei, ihre eigenen Rituale. Und ihre eigene Sprache.

Offiziell heißt diese Sprache Englisch. Die meisten Menschen, die für die Konferenz wichtig sind, sprechen das auch - mit Ausnahme der Franzosen und der wirklich wichtigen Figuren wie Taxifahrern, Kellnern, Sicherheitsleuten oder den hilfsbereiten Kollegen bei der Telefongesellschaft. Aber auf der Konferenz hört man vor allem auch das, was der Umweltminister von Costa Rica einmal als „die meistgesprochene Sprache der Welt“ bezeichnet hat: „Bad English“.

Auf Platz zwei steht das juristisch-technische Kauderwelsch, in dem die Drafts, äh, die Entwürfe, vorgelegt, also getablelt werden. Schon dieses Englisch hat mit der Sprache Shakespeares nichts mehr gemein und ist eigentlich nur mit einem doppelten Doktortitel in Jura und Linguistik verständlich. Auch darum gibt es viele kleine Staaten, die immer mal wieder Anwaltskanzleien aus den USA oder Großbritannien viel Geld für rechtliche und sprachliche Beratung bezahlen, um überhaupt mitzubekommen, was so passiert. Auch hier zeigt sich, dass die UNO keinesfalls der Club der Gleichberechtigten ist, als die sie gern gilt. „Die native speakers sind brutal im Vorteil“, ist die Einsicht eines Verhandlers, der selbstverständlich auch nicht mehr von Muttersprachlern redet.

BINGO, TANGO, GONGO, DONGO oder QUANGO?

Die eigentliche Sprache der COP, ups, der „Conference of the Parties“, ist aber Abkürzisch. Das KP haben wir überwunden, dafür verhandeln wir jetzt die ADP. Das Outcome von Lima soll das Momentum weitertragen, dass durch den IPCCC AR 5 begründet wurde. Auch die Auffüllung des GCF hat zur guten Stimmung beigetragen, ebenso wie eine mögliche Einigung bei REDDplus. Wichtig ist dafür die Arbeit SBSTA und SBI, aber alles muss ein party-driven process bleiben, damit die UNFCCC auch buchstabengetreu erfüllt wird. Und wenn in Lima keine Einigung bei den INDCs erreicht wird, sind auch die NAMAs nicht mehr viel wert.

Druck auf den Verhandlungsprozess kommt von allen Seiten: Die IEA hält ihre PKs ab, CAN wirft sich in die Debatte, auch die IAEA, die FAO und natürlich WMO und UNEP ebenso wie UNDP haben ein paar Wörtchen mitzureden. Von der IRENA hört man gar nichts, aber REN21 übernimmt das manchmal. Irgendwann verlieren die Journalisten den Überblick, ob sie es mit einer NGO, einer BINGO, TANGO, GONGO, DONGO oder QUANGO zu tun haben.

Da ist es gut, dass zumindest bei den Ländern Klarheit herrscht. AOSIS wehren sich gegen ihren Untergang, die like-minded states haben sich gerade von den Philippinen getrennt, die G77plus China hat schon lange viel mehr Mitglieder als 77 und China gehört eigentlich auch nicht mehr wirklich dazu. Die LDCs dagegen begehren manchmal auf und verbünden sich mit den AILACs, wobei die Grenzen zur Cartagena-Gruppe fließend sind. Auch die Umbrella-Group ist langsam zerbröckelt, und wir sind dankbar für so einfach zu erkennende Player wie die USA oder die EU.

Wir Europäer wiederum sind Gastgeber des entscheidenden Gipfels in Paris im nächsten Jahr. Und die französische Regierung hat drastische Maßnahmen ergriffen, um an der Seine den Erfolg sicherzustellen. Sie hat, so heißt es, ihre Verhandler von der heiligen Pflicht entbunden, die französische Sprache in die Welt zu tragen: Ihre Diplomaten dürfen bei der Klimakonferenz 2015 Englisch sprechen. Irgendein Englisch jedenfalls.

Abkürzungsverzeichnis:

ADP Ad hoc Durban Platform

AILAC Independent Alliance of Latin America and Carribean

AOSIS Alliance of Small Island States

CAN Climate Action Network

GCF Green Climate Fund

IAEA International Atomic Energy Agency

IEA International Energy Agency

FAO food and Agriculture Organisation

GONGO Governmental Organized NGO

INDC Intended National Determinded Contribution

IPCC AR 5 Intergovernmental Panel on Climate Change Assessment Report 5

IRENA Internationa Renewable Energy Agency

KP Kioto Protokoll

LDC Least Developed Countries

NAMA National Appropriate Mitigation Action

NGO Non-governmental organization

REDD Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation

REN21 Renewable Energy Network

SBI Subsidiary Body for Implementation

SBSTA Subsidiary Body for Science, Technolgy and Adaptation

UNDP United Nations Development Program

UNEP United Nations Environment Program

UNFCCC United Nations Framework Convention on Climate Change

WMO World Meteorologic Organisation

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1 Kommentar

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  • "Governmental Organized Non-governmental organization" (GONGO) ist besonders hübsch. Da könnte auch George Orwell noch was lernen.