„Klimawandel ist jetzt!“

Die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate wurde aus einem Agenturfoto herausgeschnitten. Das lasse afrikanische Aktivist*innen aber nur lauter werden, sagt sie

Heute demonstriert Klimaaktivistin Nakate meist in Alltagskleidung für mehr Klimaschutz Foto: Sumy Sadurni

Interview Simone Schlindwein

taz: Frau Nakate, die Nachrichtenagentur AP hat sie – die einzige Aktivistin mit schwarzer Hautfarbe – aus einem Foto herausgeschnitten. Was ist da passiert?

Vanessa Nakate: Wir hatten an diesem Freitag beim Weltwirtschaftsforum in Davos eine Pressekonferenz geplant. Davor wurden Fotos gemacht. Während der Konferenz haben wir alle Statements abgegeben und von den Problemen erzählt, auch ich. Später sah ich nach, was die Journalisten geschrieben haben. Erst habe ich das Foto nur auf Twitter gesehen und gedacht, es sei für die sozialen Medien verkleinert worden. Doch auf dem großen Foto zum Artikel war nur der Zipfel meiner Jacke zu sehen. Es war, als ob ich nicht existierte.

Wie reagierten Sie?

Ich schrieb einen Antwort-Tweet auf den Artikel mit dem Foto, nach dem Motto „Ich war Teil dieser Gruppe, aber sehe mich nicht auf dem Foto – warum habt ihr mich rausgeschnitten?“ oder so ähnlich. Ganz ehrlich, ich ahnte in dem Moment nicht, wie viral das gehen würde. Es hat mich ermutigt, ein Video zu drehen. Aber dann bin ich live vor der Kamera zusammengebrochen und habe geweint. Es hat mich wirklich erschüttert.

Was haben die Verantwortlichen der Nachrichtenagentur getan?

Ich habe eine Entschuldigung bekommen von der Chefredakteurin, von ihrem privaten Twitter-Konto. Da habe ich sie gebeten, sie auch über den offiziellen Medienaccount von AP zu posten. Am nächsten Tag kam dann die Entschuldigung auch offiziell. Aber sie haben mich immer noch als „afrikanische Klimaaktivistin“ bezeichnet, statt meinen Namen zu nennen.

Ist die Klimabewegung weltweit mehr eine Sache der weißen, reichen Europäer?

Letztlich hat das alles dazu geführt, dass wir Aktivisten in Afrika nun unsere Stimme erheben. Als die Geschichte mit dem Foto bekannt wurde, haben mir andere afrikanische Aktivisten erzählt, das ihnen so etwas ebenfalls passiert ist. Auch andere wurden schon aus Fotos herausgeschnitten oder in Artikeln zum Thema nicht zitiert. Es ist ganz klar Rassismus.

Wie sind Sie Aktivistin geworden?

Ich habe im Mai 2018 meine Vorlesungen an der Universität beendet und hatte dann sechs Monate Zeit bis zu meinem Abschluss an der Business-School. Ich habe recherchiert, vor welchen Hürden die Menschen hier in ihrem täglichen Leben stehen, denn ich wollte ein Projekt machen, das wirklich das Leben vieler verändern kann. In der Schule haben wir über Klimawandel gelernt, dass er in der Zukunft passieren wird und dass wir uns heute darüber keine Gedanken machen müssen. Aber dann musste ich feststellen: Klimawandel passiert jetzt schon!

Und wann haben Sie zum ersten Mal gestreikt?

Im Januar 2019 direkt nach der Abschlusszeremonie in der Universität. Es war ein Freitag, und seitdem mache ich das jeden Freitag. Ich bin in meiner akademischen Robe mit dem eckigen Hut und meinem Plakat auf die Straße gegangen, ganz alleine. Die Leute haben mich angeguckt, als sei ich verrückt. Auf dem Plakat stand: „Grüne Liebe, grüner Friede – Klima­streik JETZT – Danke für den Klimawandel“.

Hat Sie dabei jemand unterstützt?

Vanessa ­Nakate, 23, ist in Ugandas Hauptstadt Kampala geboren und aufgewachsen. Die studierte Betriebswirtschafterin begann Anfang 2019 mit freitäglichen Streiks, später gründete sie die Bewegung Youth 4 Future Africa, die sich im Januar 2020 in Rise up Movement umbenannte.

Ich stand dort stundenlang alleine. Und auch die nächsten Freitage war ich meist ganz allein. Erst seitdem die Sache mit dem Foto in Davos passiert ist, unterstützen mich nun auch Leute, die ich gar nicht kenne, bei den Streiks. Wenn ich freitagmorgens auf Twitter bekannt gebe, wo ich an diesem Tag streiken werde, stehen dort schon andere Leute mit Plakaten.

Sie waren jüngst in Spanien und in New York bei Klima­protesten. Was erzählen Sie den Leuten auf diesen globalen Events über Uganda?

In Uganda wird mehr als ein Viertel des Bruttosozialprodukts in der Landwirtschaft erzielt. Der Klimawandel führt dazu, dass sich die Bauern nicht mehr auf die Regenzeiten verlassen können, und wenn es regnet, dann ist der Regen sehr stark. In Kampala sehen wir, dass Straßen überflutet werden, aber in manchen Gegenden des Landes führt der Regen zu Erdrutschen und schlimmeren Überschwemmungen. In anderen Regionen dagegen herrscht Dürre. Die Lebensmittelpreise werden mit dem Klimawandel ansteigen, und nur noch die wohlhabenden Leute können sich dann gute Lebensmittel leisten. Es gibt heute schon Straßenkinder in Kampala, die fast alle aus Karamoja stammen im Nordosten des Landes, wo es so trocken ist.

Warum ist die Fridays-for-Future-Bewegung in Uganda nicht so groß geworden wie anderswo?

Für Jugendliche ist es hier viel schwieriger, aus der Schule auszubrechen, denn wir haben hohe Sicherheitsvorkehrungen an den Schultoren. Dazu drängen sich noch andere Probleme akut in den Vordergrund: Solange es keine Gesundheitsversorgung gibt, kämpfen viele jeden Tag ums Überleben und denken wenig an die ­Zukunft. Das ist das Problem in Afrika: Gerade die ­Menschen, die ohnehin schon unter den ­schlechtesten ­Bedingungen leben, werden vom Klimawandel am meisten betroffen sein. Ich denke, in Afrika brauchen wir keine ­Fridays-for-Future-Bewegung, sondern eine, die „Fridays for now“ heißt. Denn wir schauen dem Klimawandel bereits jeden Tag ins Gesicht.