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Kleines Theater in Köpenick vor dem AusDer Hauptmann von Köpenick hätte kurzen Prozess gemacht

Das Schlossplatztheater Köpenick gibt jährlich rund 70 Vorstellungen. Doch zum Januar wird dem kleinen Theater die komplette Förderung gestrichen.

Das Schloßplatztheater in Köpenick hat mal mit diesem Slogan geworben – zum 1. Januar 2026 aber wurde die Förderung gestrichen Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Kira Hofmann

Berlin taz | Im zweiten Stock eines alten Bürgerhauses am Schlossplatz Köpenick wünscht die Kartenkontrolleurin viel Spaß. Hinter ihr liegt ein Raum, der von den Maßen einem großen Wohnzimmer gleicht, in Wirklichkeit aber ein Theater ist. Seit 30 Jahren gibt es das Schlossplatztheater Köpenick, in dem jährlich rund 60 bis 70 Vorstellungen vor bis zu 70 Zu­schaue­r*in­nen stattfinden.

An diesem Tag sind es weit weniger. Trotzdem haben einige von ihnen in guter deutscher Pau­schal­tou­ris­t*in­nen­ma­nier ihre Sitze mit Jacken reserviert. Denn eine Platzzuweisung gibt es nicht und die besten Plätze wollen reserviert sein, während in der liebevollen Bar im Zimmer hinter der Bühne das Glas Rotwein für 2,50 Euro getrunken wird.

Auch einen Gong, das den Beginn der Vorstellung ankündigt, gibt es nicht. Nachdem die Zu­schaue­r*in­nen nach und nach Platz genommen haben, huscht die Person, die eben noch die Gäste in der Bar bedient hat, durchs Publikum und setzt sich in der letzten Reihe an das spärlich beleuchtete Inspizientenpult. Es wird dunkel. Aus der gleichen Tür, die zur Bar führt, treten die drei Schauspie­le­r*in­nen auf die Bühne. Das audiovisuelle Live-Hörspiel „Tannöd“ nach dem gleichnamigen Roman von Andrea Maria Schenkel beginnt.

Der Inspizient klatscht den Applaus an, weil sich niemand traut, als ers­te*r zu applaudieren

In der etwas über eine Stunde dauernden Inszenierung nehmen die drei Spie­le­r*in­nen das Publikum mit auf den Hof der Denners im Jahr 1922 und gehen dem Mord an der fünfköpfigen Familie und ihrer Magd nach. Mit digitalen Soundflächen und analog hergestellten Alltagsgeräuschen wie dem Schälen einer Kartoffel sowie einer mit Projektionen bespielten Leinwand im hinteren Teil der Bühne erschaffen die Spie­le­r*in­nen einen Abend, der fesselt. Am Ende wird klar: Es war ein erweiterter Femizid. Der Inspizient klatscht den Applaus an, weil sich niemand traut, als ers­te*r zu applaudieren.

Für kleine Theater geht es um die Existenz

Als der Applaus abebbt, wendet sich eine Schauspielerin ans Publikum. Denn die kleine Kultureinrichtung am Rande der Stadt steht vor dem Aus: Ohne Vorwarnung wurde die Förderung der Senatskulturverwaltung ab 1. Januar komplett gestrichen. Während im Rahmen der Debatte um die Kulturkürzungen alle auf die großen Häuser blickten, geht es für kleine Theater um die Existenz.

Im Gegensatz zu „Tannöd“ braucht man für die Bedrohungslage des Schlossplatztheaters keinen Schuldigen zu erfinden. Mit seinen Kürzungen und der damit einhergehenden drohenden Schließung bedrohen CDU und SPD die kulturelle Vielfalt und politische Bildung, vor allem auch junger Menschen außerhalb des Stadtzentrums. Stücke wie „Queere Tiere“ und „Das Ende des Kreises“ über mentale Gesundheit können künftig nicht mehr stattfinden. Ebenso wie das Junge Schlossplatztheater, bei dem Jugendliche selbst auf der Bühne stehen.

Nur wenige Meter vom Theater entfernt steht eine Statue des Schuhmachers Wilhelm Voigt, der 1906 die Stadtkasse plünderte und mit dem Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“ Berühmtheit erlangte. Den Bürgermeister zu verhaften und die Stadtkasse zu rauben, würde in diesem Fall allerdings nicht helfen. Zumindest Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) setzt sich dafür ein, das Theater zu retten, und appelliert an den Senat, die Kürzungen zurückzunehmen.

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