"Kleines Ferkel" versus Kinderbibel: Kein Verbot für kritisches Kinderbuch
Nicht auf den Index: Das religionskritisches "Ferkel"-Buch gilt nicht als antisemitisch - denn es drischt auf drei Weltreligionen gleichermaßen ein.
BONN taz Das religionskritische Kinderbuch "Wo bitte gehts zu Gott? Fragte das kleine Ferkel" kommt nicht auf den Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Das hat die Bonner Behörde gestern entschieden.
Das von der CDU geführte Bundesfamilienministerium hatte die Indizierung des 34-seitigen Bilderbuchs beantragt. In dem Werk von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke würden "die drei großen Weltreligionen Christentum, Islam und Judentum verächtlich gemacht". Außerdem, so das Ministerium weiter, sei das Kinderbuch antisemitisch: Besonders die Art der "bildlichen Präsentation stelle die jüdische Religion als besonders menschenverachtend, grausam und mitleidslos dar".
Die Begründung des Ministeriums aber konnte selbst der Zentralrat der Juden in Deutschland nicht nachvollziehen. "Der Meinung, das Buch sei antisemitisch, kann man nicht folgen, da es gleichermaßen alle drei monotheistischen Religionen verleumdet", so der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer. Dieser Argumentation folgte dann auch die Prüfstelle: Eine mögliche Verletzung religiöser Gefühle allein stelle "keinen Tatbestand der Jugendgefährdung" dar.
Erleichtert zeigte sich der Autor: Der Versuch, sein Buch unter die Ladentheken zu verbannen, stehe für einen "zunehmenden religiösen Fundamentalismus, für einen gesellschaftlichen Roll-Back", sagte Michael Schmidt-Salomon der taz. Nötig aber sei ein "Pluralismus in den Kinderzimmern": "Überall, wo eine Kinderbibel steht, sollte auch das kleine Ferkel stehen."
ANDREAS WYPUTTA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour