Kleiner Parteitag der CDU: Ruhe im Umfragetief

Bei den Christdemokraten müsste es angesichts miserabler Umfragewerte heftig kriseln. Stattdessen scheint Parteichef Henkel gesetzt als Spitzenkandidat für die Wahl 2011.

Parteichef Frank Henkel, hier im Frühjahr 2009 Bild: AP

Ist der Mann ein Masochist oder einfach nur genügsam? "Es macht Spaß, an der Spitze dieser Partei zu sein", sagt Frank Henkel, der Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU, am späten Donnerstagabend. Ein "kleiner Parteitag" der Union geht zu Ende. Über Bürgerarbeit haben sie gesprochen, den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) des rot-roten Senats verdammt und ein eigenes Modell vorgestellt, das dem ÖBS gar nicht so unähnlich ist (siehe Kasten). Nicht gesprochen haben sie darüber, dass die Berliner CDU bei den Wählern seit Monaten so unbeliebt ist wie noch nie. In den fünf jüngsten Umfragen kam die frühere 40-Pozent-Partei nur ein einziges Mal über 20 Prozent. Selbst in der Berliner Bankenkrise 2001 hatte sie bei der Wahl besser abgeschnitten.

Das wäre in den vergangenen Jahren der Zeitpunkt gewesen, den Vorsitzenden erst zu kritisieren, dann in Frage zu stellen und schließlich auszutauschen. Vier Landeschefs hat die Berliner CDU seit 2001 verschlissen. An Henkel aber ist bislang keine nennenswerte Kritik zu hören. Weder beim Parteitag noch aus den Kreisverbänden heraus, die in der Vergangenheit ihre Macht gerne durch Mobben des Landeschefs demonstrierten. Es gibt nur eine Erklärung für die überraschende Genügsamkeit und das Stillhalten: Die Partei ist Henkel dankbar, dass er Ruhe in den zuvor tief zerstrittenen Landesverband gebracht hat, seit er vor eineinhalb Jahren nach dem Fraktionsvorsitz auch die Parteiführung übernahm. Und Henkel ist dankbar, dass man ihn machen lässt. Man akzeptiert die Interpretation der Landesspitze, dass es allein die Unbeliebtheit der schwarz-gelben Bundesregierung ist, die auch die Berliner CDU nach unten gezogen hat. Die meisten Leute unterschieden in den Umfragen nicht zwischen Landes- und Bundesebene, heißt es, im Wahlkampf werde sich das ändern.

Tatsächlich ist im Auftreten und Handeln von Fraktion und Partei - im Guten wie im Schlechten - kein Unterschied zu erkennen gegenüber Ende 2009, als die CDU mit 25 Prozent klar stärkste Partei in Berlin war. Doch kommt die Parlamentsfraktion in den zentralen Themen - Finanzen, A 100, Klimaschutzgesetz - derzeit nicht durch, weil sich der Streit innerhalb der rot-roten Koalition abspielt oder bei der Opposition die Grünen die publikumswirksameren Fachpolitiker haben. In der Partei folgt die Spitze weiter ihrem Kurs, die Basis über Regionalkonferenzen und kleine Parteitage einzubinden. Dieses neue Bild der Berliner CDU ist auch in der Bundesspitze der Partei angekommen. Geschlossen sei die Berliner CDU inzwischen, lobt am Donnerstagabend als Gastrednerin Bundesministerin Ursula von der Leyen.

Vor diesem Hintergrund dürfte so gut wie geklärt sein, wer die Partei 2011 in die Abgeordnetenhauswahl führt. Im Landesverband macht bislang niemand Henkel die Spitzenkandidatur streitig. Von außerhalb wird angesichts fehlender Siegchancen weder ein Bundespolitiker noch ein Parteiloser auf die Idee kommen, sich aufzudrängen. Auch die Partei hat vom Werben um prominente Zugänge von außen genug: 2006 gaben Klaus Töpfer, Friedrich Merz und andere der Berliner CDU einen Korb. Die Partei blieb an Friedbert Pflüger hängen, der so wenig Bindung an den Landesverband entwickelte, dass ihn die Fraktion nach nur zwei Jahren abwählte. Zwar wird auch Monika Grütters seit Jahren als mögliche Spitzenkandidatin genannt. Doch die stellvertretende Parteivorsitzende gilt als zu liberal, um die konservative Stammwählerschaft zu mobilisieren. Der Ex-Münsteranerin fehlt auch, was der in Berlin geborene Henkel zur Genüge hat: Basishaftung. Vor Straßenreinigern und Müllarbeitern der BSR zu sprechen wie Henkel am Donnerstagmorgen, das wäre nicht die Kernkompetenz von Grütters, die im Bundestag den Kulturausschuss leitet.

Lob für Heilmann

Das Gleiche gilt für Thomas Heilmann, begüterter Unternehmer, seit 2009 ebenfalls Parteivize und der strategische Kopf im Landesvorstand. Agil, eloquent, bis in die Spitzen der Bundes-CDU verknüpft ist er, aber ohne Hausmacht in der Berliner CDU. Nachdem Heilmann zwischenzeitlich den behäbigeren Henkel durch sein lockeres Auftreten und gewagte Vorstöße zu Islam, Verkehr und Wirtschaft die Show gestohlen hatte, ist es ruhig um ihn geworden. In Frage kann ihn die Partei aber spätestens seit Donnerstagabend nicht mehr stellen. Da lobte ihn Ministerin Ursula von der Leyen euphorisch und mehr als jeden anderen Berliner CDUler: Heilmann habe als Mediator in der Karstadt-Krise tausende von Arbeitsplätzen gerettet.

Das offizielle Wahlziel ist zwar weiterhin, im Herbst 2011 stärkste Partei zu werden. Doch nach zehn Jahren Opposition hätte die CDU kein Problem damit, als Juniorpartnerin in eine Koalition zu gehen. Dass er sich das auch mit den Grünen und einer Regierenden Bürgermeisterin Renate Künast vorstellen könnte, hatte Parteichef Henkel schon vor Monaten im taz-Interview erklärt.

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