Kleine Klimakonferenz in Bonn: Protest auf dem Radweg
In Bonn wird im Juni die nächste Klimakonferenz vorbereitet. Tausende Aktivisten machen sich auf den Weg, um zu demonstrieren. Eine Gruppe Potsdamer nimmt dafür das Rad.
POTSDAM taz | „Es ist doch besser, wenn nichts herauskommt, als wenn etwas beschlossen wird, was nichts bringt.“ Es ist ein pragmatischer, aber auch ein hoffnungsvoller Satz, den Anna Schürkmann da sagt. Die Potsdamerin war dabei, damals, im Dezember 2009. Als die Mächtigsten der Welt nach Kopenhagen gekommen waren, um eine gemeinsame Klimapolitik zu verabschieden. Und irgendwie die Welt zu retten.
Schürkmann hat gemeinsam mit zehntausenden Aktivisten in Kopenhagen für einen Klimaschutzvertrag demonstriert und gehofft. Doch nach tagelangen Verhandlungen wurde nur ein Blanko-Papier verabschiedet. Jeder Staat sollte hier nachträglich seine Klimaziele eintragen – als Grundlage für die Zwischenverhandlungen in Bonn Anfang Juni und der nächsten Klimakonferenz im mexikanischen Cancun im Dezember diesen Jahres.
Also alles nur Kokolores? „Nein, nein.“ Schürkmann winkt ab. „Es bewegt sich doch etwas.“ Allein für die Konferenz in Bonn hätten schon 40 Industriestaaten und 30 Entwicklungsländer ihre Klimaziele gemeldet. Deshalb machen sich Schürkmann und 14 weitere Aktivisten am Pfingstsonntag auf den Weg nach Bonn. Mit dem Fahrrad. In elf Zwischenstationen von Magdeburg über Hannover und Köln wollen sie vor Ort unter anderem Protestbriefe sammeln und mit einer mobilen Ausstellung informieren. Und natürlich rechtzeitig zur Großdemo am 5. Juni in Bonn ankommen - mit den Protestbriefen. Denn die sollen stellvertretend für ihre Verfasser an einer langen Kette aufgefädelt an der Demonstration teilnehmen.
„Wie setzen mit der Tour ein Zeichen“, sagt Ribana Bergmann selbstbewusst. „Und zwar ein ganz persönliches. Denn wir wollen die Leute vor Ort davon überzeugen, dass das Thema Klimawechsel weiter sehr wichtig ist.“ Schließlich sei jeder davon irgendwie betroffen und sei es nur die erhöhte Hautkrebsgefahr bei einem Sonnenbrand.
Start der Fahrradtour nach Bonn ist am Pfingstsonntag, 23.5.2010, um 10 Uhr in Potsdam auf dem Luisenplatz. Die Strecke führt über Magdeburg (24.05), Helmstedt (25.05.), Braunschweig (26.05. ), Hannover (27./28.05.), Hameln (29.05.), Bielefeld (30.05.), Münster (31.05.), Bochum/Dortmund (1.06.), Essen/ Duisburg (2.06.), Düsseldorf (3.06.), Köln (4.06.) bis nach Bonn (5.06.).
***
Anmeldungen und weitere Infos gibt es unter www.klimarad.org bzw. unter der Email klimarad@riseup.net. Auf der gesamten Strecke können Radler jederzeit zu der Fahrradtruppe hinzukommen und so viele Kilometer mitfahren, wie sie möchten.
***
Am Samstag (5.6.) wird es in Bonn um 13 Uhr auf dem Kaiserplatz eine Großdemo gegen die Untätigkeit der Industriestaaten im Klimaschutz geben.
***
Klimazwischenverhandlung in Bonn: Vom 1. bis zum 11. Juni werden im Maritim Hotel in Bonn die Klimazwischenverhandlungen des UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) stattfinden, um die Grundlagen für den folgenden Klimagipfel COP 16 im Dezember in Cancun, Mexiko zu diskutieren.
Die 27-jährige Studentin Schürkmann hat sich mit drei Mitstreiterinnen in einem kleinen Café in der Potsdamer Innenstadt getroffen. Hier organisieren sie ihren Beitrag für Bonn. „Einfach nur demonstrieren war uns diesmal zu wenig“, betont Ribana Bergmann. „Wir wollen schon auf dem Weg nach Bonn die Menschen für das Thema Klimaveränderung interessieren, sie vielleicht nachdenklich machen und dazu einladen, mit uns mitzukommen. Und wenn es nur ein paar Kilometer sind.“
Zwei Wochen werden sie bis Bonn brauchen, erklärt Katharina Schmidt die Planungen. Sie studiert wie die anderen drei Geoökologie an der Uni Potsdam. Und keiner von ihnen sei wirklich trainiert im Radfahren. „Wir hoffen, dass wir durchhalten“, sagt sie und lächelt hoffnungsvoll. Ein VW-Bully wird sie auf der Strecke begleiten, Rucksäcke, Zelte und Verpflegung transportieren.
In den Etappenorten hätten sie versucht, Kontakt zu lokalen Umweltgruppen aufzubauen. Wo das nicht geklappt hat, würden sie schon ein Plätzchen zum Schlafen finden, so Schmidt. „Aber überall werden wir im Zentrum alles versuchen, um auf unser Anliegen aufmerksam zu machen.“ Weitere Fahrradgruppen werden sich ihnen unterwegs nicht anschließen. Aber die Fahrradaktivisten hoffen, dass sie immer wieder Radler für ein Stück des Weges begleiten werden.
Mit der Tour nach Bonn soll besonders den Menschen vor Ort gezeigt werden, dass man auch anders leben könne, sagt Schürkmann: „Mann muss nicht die ganze Welt für ein besseres Klima ändern. Wir können auch einfach vor unserer eigenen Tür anfangen. Mit kleinen Schritten.“
Die Slogans der Klimarad-Aktivisten zielen auch nicht auf eine Änderung der globalen Politik ab. Sie fordern von den Menschen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. Dazu gehören nach ihrer Sicht auch Second-Hand-Klamotten, Bioessen, Einkaufs-Kooperationen und der simple Wechsel des Stromanbieters. „Wir wissen nicht, ob das reicht, aber es wäre ein Anfang, wenn viele mitmachen“, sagt Schürkmann. Denn niemand habe doch das Interesse, seine Umwelt wissentlich zu zerstören.
„Aber es ist natürlich auch utopisch von uns, zu erwarten, dass sich alle richtig verhalten“, wirft Schmidt ein. Da nicken die anderen zustimmend. Ja, es sei nicht einfach, gibt Schürkamnn zu. Allein schon in den Orten, in denen sie Station machen, wäre es schwer gewesen, überhaupt eine lokale Gruppe für gemeinsame Aktionen zu erreichen und zu überzeugen.
Nur in Braunschweig hätte es gleich große Zustimmung gegeben. Dort wollen sich die Ökoscouts zusammen mit den Klimarad-Aktivisten neben Briefaktion, Infostand und Ausstellung an einem lebenden Kunstwerk versuchen. In Mülltüten und Einkaufstüten verhüllt sollen so viele Leute wie möglich einen menschlichen Abfallberg entstehen lassen. „Das ist natürlich auch gut für die Fotografen der Lokalpresse und damit auch wieder für unsere Aktion“, erläutert Schürkmann noch kurz, bevor sie sich verabschiedet und auf ihr Rad schwingt. Sie müsse ja noch trainieren für die 650 Kilometer bis nach Bonn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich