Klaus Hillenbrand über das Urteil zum Zugunglück von Bad Aibling: Kein einfaches Versehen
Die Bahn ist ein sehr sicheres Verkehrsmittel. Aber auch dort kommt es zu schweren Unfällen. So wie bei Bad Aibling, als beim Zusammenstoß zweier Nahverkehrszüge zwölf Menschen getötet und fast 90 teils lebensgefährlich verletzt wurden. Der verantwortliche Fahrdienstleiter muss, so entschied es am Montag das Landgericht Traunstein, für dreieinhalb Jahre in Haft.
Ist das übertrieben? Hat der erfahrene Mann nicht lediglich eine Unachtsamkeit begangen, die durch eine Verkettung ungünstiger Umstände zum Desaster geführt hat?
Das Urteil von Traunstein ist nicht der erste Schuldspruch gegen einen Bahnmitarbeiter. Schon mehrfach sind Lokführer oder Weichen- und Signalsteller wegen ihrer Verantwortung bei schweren Unfällen zu Haftstrafen verurteilt worden. Diese fielen allerdings in aller Regel zur Bewährung aus. Auch bei ihnen ging es um Fehlverhalten, also den berühmten menschlichen Faktor. Sie waren abgelenkt, übermüdet oder sie verwechselten beim Bedienen wichtige Schalter. Sie durften in Freiheit bleiben.
Trotzdem ist das Urteil zu Bad Aibling richtig. Denn der verurteilte Fahrdienstleiter hat nicht einfach nur ein Versehen begangen. Er hatte sich ganz bewusst dafür entschieden, sich einen Großteil seiner Arbeitszeit einem Computerspiel auf seinem Smartphone zu widmen. Er hat gewusst oder hätte wissen müssen, dass er eine Bahnstrecke so nicht ordnungsgemäß überwachen konnte. Er hat das in Kauf genommen. Die Strafe ist deshalb angemessen – und sie ist zugleich eine Warnung an all die anderen Bahnverantwortlichen.
Anders sieht es im Straßenverkehr aus. Das Daddeln mit dem Handy gilt dort immer noch als eine „Verkehrssünde“, also als ein lässlicher Fehler, der mit gerade einmal 60 Euro bestraft wird, wenn es nicht zum Unfall kommt. Doch oft genug kracht es. Menschen sterben. Die entsprechenden Urteile ergehen meistens mit Bewährung. Warum eigentlich?
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