Klassengesellschaft Großbritannien: Etonschüler unter sich
Rechnen hat in der britischen Eliteschule Eton nicht die höchste Priorität. Trotzdem sind die Kabinette der Tories voller Etonians.
S chauplatz ist die Eliteschule Eton vor über 20 Jahren: Schüler Prinz H. ist in Schwierigkeiten. Er hat gekifft. Laut Schulordnung müsste jetzt sein Bodyguard die prinzlichen Koffer packen. Für das gleiche Vergehen sind schon andere Mitschüler von der Schule geflogen. Nach langen Debatten macht die Schulleitung für den Royal jedoch eine Ausnahme, er darf bleiben. Seine Mitschüler sind von dieser Entscheidung nicht überrascht. In Eton lernt man früh, dass Regeln nur für die anderen gelten – ganz nach Orwells „Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.“
Das britische Chaos der letzten Wochen hat uns daran erinnert, was der Geist von Eton bewirken kann. Ursprünglich sollte in dieser Privatschule die Führungselite für Kolonien und Militär erzogen werden – „Männer, die Waterloo gewannen.“ Leider gingen Etonians nicht nur zum Militär, sondern auch regelmäßig in die Politik.
Auf welche Schule geht das Kind?
In den 1960er Jahren bestand das Kabinett von Premierminister Harold Macmillan mehrheitlich aus Eton-Absolventen, und auch unter Margaret Thatchers Ministern dominierten Etonians (Thatcher glaubte nicht an Frauenförderung). Mit Tony Blair trat eine kurze Flaute ein, aber dann kam der Rückfall – David Cameron und Boris Johnson. Die beiden rivalisierten zwar ständig miteinander, verschafften jedoch anderen Etonians gute Posten, inklusive Sitze im House of Lords. Boris ging sogar so weit, seinen eigenen Bruder Joseph (ebenfalls Eton-Absolvent) zum Baron Johnson of Marylebone zu machen.
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Natürlich stellt sich die Frage, warum britische Wähler ausgerechnet Eton-Absolventen Führungsrollen zutrauen. Das wiederum liegt an der Obsession mit dem englischen Schulsystem. Es gibt zwei Informationen, die britische Eltern voneinander wissen wollen: Wo wohnen sie, und auf welche Schule gehen ihre Kinder? In einer besseren Gegend zu wohnen, bedeutet, seine Kinder auf gut ausgestattete staatliche oder konfessionelle Schulen schicken zu können. In einer schlechten Gegend zu leben bedeutet, eine miese Schule zugewiesen zu bekommen.
Immer charmant sein
Liz Truss beklagte permanent, dass ihre linken Eltern sie auf eine schlechte, staatliche Schule in Leeds schickten. Zum Ausgleich machte Truss einen Etonian, Kwasi Kwarteng, zu ihrem Finanzminister. Das Resultat war suboptimal – Großbritannien bekam eine Premierministerin, die nicht reden konnte, und einen Finanzminister, der nicht rechnen konnte.
Rechnen steht in Eton nicht unbedingt an erster Stelle. Etonians lernen stattdessen, immer charmant zu sein (wie Cameron) und unterhaltsam (wie Johnson). Man kann sie auf jeder Party gewinnbringend einsetzen. Sie erinnern ein wenig an Romanfiguren von Charles Dickens. Dickens erfand die Veneering-Familie, die nur aus Politur und Oberfläche (veneer) besteht. Darunter befindet sich nichts. Eton bietet diese erstklassige „Politur“.
Auch der neue Premier Rishi Sunak ist auf eine teure Privatschule gegangen – Winchester. Im Gegensatz zu Eton besteht jedoch Hoffnung. In Winchester muss man mehr als Charme und Geld vorweisen können. Absolventen gelten als disziplinierte Arbeiter und werden von den Etonians als „zu akademisch“ und „intellektuell“ verachtet. Genau das braucht Großbritannien jetzt: einen langweiligen Premier, der rechnen kann und viele Überstunden macht.
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