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Klage wegen Versetzung Hannemanns„Hartz-Rebellin“ akzeptiert Vergleich

Die Jobcenter-Angestellte Inge Hannemann weigerte sich, Arbeitslose zu sanktionieren und wurde ins Integrationsamt versetzt. Das hat sie vor Gericht nun akzeptiert.

„Man lobt mich im Grunde weg“: Inge Hannemann vor Gericht Bild: dpa

HAMBURG dpa | Die als „Hartz-IV-Rebellin“ bekanntgewordene Inge Hannemann und die Stadt Hamburg haben einen Vergleich geschlossen. Beide Parteien einigten sich am Montag vor dem Arbeitsgericht Hamburg darauf, dass die frühere Mitarbeiterin eines Jobcenters künftig im Integrationsamt arbeiten wird. Im Jobcenter Hamburg-Altona hatte sich Hannemann geweigert, Sanktionen gegen Langzeitarbeitslose zu verhängen und wurde versetzt. Nun soll sich die 46-Jährige um die Integration Behinderter in den Arbeitsmarkt kümmern, bei gleichem Gehalt.

Die Sozialbehörde sicherte zu, durch ein fachärztliches Gutachten prüfen zu lassen, welche gesundheitlichen Einschränkungen Hannemann selbst hat. Sie soll dann „leidensgerecht“ beschäftigt werden. Sie hatte argumentiert, die Tätigkeit im Integrationsamt sei zu wenig mit Bewegung verbunden, was sie körperlich nicht vertrage. Die Vertreterin der Sozialbehörde sicherte weiter zu, dass derzeit nicht die Absicht bestehe, Hannemann erneut zu versetzen.

Der Rechtsstreit zwischen der 46-Jährigen, die auch für die Partei Die Linke in der Bezirksversammlung Altona sitzt und bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 kandidiert, ist damit noch nicht völlig vom Tisch. Es gibt eine weitere Klage, mit der sich Hannemann gegen ihre Suspendierung im Jobcenter wendet. Ein Termin dafür steht aber noch nicht fest. „Ich bin raus, weil ich Missstände öffentlich gemacht habe“, betonte Hannemann im Gerichtssaal. „Es wäre nichts passiert, wenn ich Dienst nach Vorschrift gemacht hätte.“ Sie solle mundtot gemacht werden. „Man lobt mich im Grunde weg.“

Für ihre politischen Äußerungen erhielt sie Applaus von ihren mehr als 50 Unterstützern, die Schilder mit dem Spruch „Empört Euch!“ hochhielten. Der Anwalt der Sozialbehörde, Georg Kalenbach, sagte an die Adresse von Hannemann: „Sie reden hier nicht im Bundestag.“ Richter Esko Horn beruhigte die Wogen und überzeugte beide Seiten von dem Vergleich.

Nach drei Tagen an ihrem neuen Arbeitsplatz zeigte sich Hannemann mit ihrer neuen Aufgabe und ihrem Team grundsätzlich zufrieden. Sie kündigte zugleich an, dass sie künftig darauf achten werde, dass die UN-Behindertenkonvention vom Integrationsamt eingehalten werde.

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12 Kommentare

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  • Der Anwalt der Sozialbehörde, Georg Kalenbach, sagte an die Adresse von Hannemann: „Sie reden hier nicht im Bundestag.“

     

    Die Politik wird für das Volk gemacht. Wir haben zudem Demokratie bzw. freie Meinungsäußerung.

     

    Welche Aufgabe hat, Ihrer Meiniug nach, Herr Kalenbach, die Sozialbehörde in einem Sozialstaat?

     

    Die Verfassungswidrigen Sanktionen, die immer noch praktiziert werden, sind für viele richtigen Patrioten Deutschlands, wie eine Art Auschwitzlüge.

  • „Hartz-Rebellin“ akzeptiert Vergleich:

    Guten Tag,

    diese Kompromiss war nun wohl leider nicht mehr zu vermeiden. Immerhin steht ja noch ein Gerichtstermin aus.

    Leider war ich, ebenfalls Ex - Fallmanager, seinerzeit nicht so stark und zäh wie Inge. Ich ließ mich "freiwillig" zurück drängen zum "entsendenden Arbeitgeber". Nach gut 2 Jahren erlegt mich aber nun auch dort noch der lange Arm des jobcenters, seit 17.11.2014 bin ich "mit sofortiger Wirkung freigestellt", Kündigung ist beabsichtigt und Grund ist meine anhaltende Hartz IV - Kritik. Ich hoffe Inge bleibt das erspart.

    MfG

    Burkhard Tomm-Bub, M.A.

  • @IOANNIS:

    " als Sebstständige kann sie machen was sie will..."

     

    Haha. Als Selbständige_r machen Sie das, was ihre Kunden wollen. Und wenn Sie können, machen Sie es noch etwas besser.

  • „Es wäre nichts passiert, wenn ich Dienst nach Vorschrift gemacht hätte.“

    Sorry, aber ganz genau dafür wird sie bezahlt, und sie hat das vorher ganz genau gewusst. Wenn das nicht passt - als Sebstständige kann sie machen was sie will.

    • @ioannis:

      ... sind aber die Vorschriften gegen das Grundgesetz und an der Realität vorbei, wie bei uns in Deutschland, soll man sich in die Reihe der stupiden Ausführer einreihen und die "Fehler" stärken?

      Ich glaube nicht, diene lieber deinem Gewissen!

    • @ioannis:

      Sie hat ja gerade darauf hingewiesen, dass zahlreiche Vorschriften in der BA rechtswidrig sind. Das wissen die meisten anderen Sachbearbeiter auch, tun aber nichts dagegen. Sorry, wenn Sie das nicht begreifen können, unterhalten Sie sich besser mit Ihren vier Wänden zuhause!

      • @Rainer B.:

        Ob andere SachbearbeiterInnen das auch wissen, darf bezweifelt werden. Frau Hannemann ist/war für ihren Job einfach überqualifiziert.

        • @lichtgestalt:

          Spätestens jetzt können es alle wissen und auch dementsprechend handeln.

          • @Rainer B.:

            Das stimmt. Jetzt können es alle wissen.

            Grundsätzlich kann es aber nicht Aufgabe von SachbearbeiterInnen sein, Vorschriften darauf zu prüfen, ob diese GG-gerecht sind.

             

            Frau Hannemann finde ich wunderbar und ich wünsche mir, dass alle Menschen so reflektiert wären. Aber ich denke, dass auch Sie wissen, wie leicht Mensch vom Traumtänzer zum Traumatänzer wird.

            • @lichtgestalt:

              Frau Hannemann hat sich nicht ins Amt gesetzt und erstmal die Vorschriften darauf hin geprüft, ob diese GG-gerecht sind. Wer, wie Frau Hannemann, engagiert ist und die Gesetze kennt, dem fallen rechtsmißbräuchliche Vorschriften unmittelbar auf.

              Traumatisierend ist allein der Umgang mit Menschen im Hartz IV-System, nicht der Traum von einer gerechteren Welt. Das sollte man auch nicht verwechseln.

  • Seid klug wie die Schlangen -

    wußte schon der bibelfeste B.B.

    Viel Glück*~*

    • @Lowandorder:

      Ja!