Klage gegen NSU-Terrorgruppenmitglied: Heer, Stahl und Sturm für Zschäpe
Die Anwälte von Beate Zschäpe haben martialische Namen. Doch nicht deshalb arbeiten sie für die mutmaßliche Neonazi-Terroristin – eher für den Ruhm.
FREIBURG taz | Mindestens sieben Staatsanwälte arbeiten schon seit Monaten an der Anklage gegen Beate Zschäpe wegen Mitgliedschaft in der NSU-Terrorgruppe. Zschäpe hat dagegen derzeit nur einen Pflichtverteidiger, den Kölner Wolfgang Heer. Sieht so ein fairer Strafprozess mit Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung aus?
Heer hatte bei der Bundesanwaltschaft angeregt, noch zwei weitere Kollegen als Pflichtverteidiger zu bestellen, weil das Verfahren so komplex ist. Schon mehrere hundert Stehordner umfassen die Aktenbestände, die durchgearbeitet werden müssen. Derzeit arbeiten die Anwälte Wolfgang Stahl und Anja Sturm als unbezahlte Wahlverteidiger mit. Doch die Bundesanwaltschaft hält einen einzigen (bezahlten) Pflichtverteidiger für ausreichend. Mehr sehe das Gesetz nicht vor.
„Diese Haltung zeugt von einer gewissen Zynik und mangelnden Ernsthaftigkeit“, kritisiert Wolfgang Stahl gegenüber der taz. Die Strafprozessordnung spreche von „notwendiger“ Verteidigung. „Das sollten bei einem derartigen Verfahren aber schon zwei oder drei Verteidiger sein.“
Elf Jahre nach ihrem ersten Mord flog die rechtsextreme Terrorzelle NSU im Herbst 2011 auf. Bei der taz-Veranstaltung „Brauner Terror – Ein Jahr Zwickau, Zwanzig Jahre Mölln und Lichtenhagen“ am Donnerstag 1. November diskutieren Betroffene, Zeitzeugen und Politiker über das beispiellose Staatsversagen. Im Ballhaus Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg. Beginn: 19 Uhr. Eintritt frei.
Das Bild könnte sich bald ändern. Denn voraussichtlich im November wird die Bundesanwaltschaft die Anklageschrift gegen Zschäpe und fünf mutmaßliche NSU-Unterstützer vorlegen. Ab diesem Zeitpunkt kann Beate Zschäpe selbst Anträge auf Pflichtverteidiger beim dann wohl zuständigen Oberlandesgericht (OLG) München stellen. Und Wolfgang Stahl geht fest davon aus, dass Zschäpe dann drei gerichtlich bestellte und vom Staat bezahlte Verteidiger zugeordnet bekommt. „Alles andere wäre gleich zu Beginn eine schwere Belastung für dieses Verfahren“, warnt Stahl.
Insofern hätte Zschäpe also keinen Nachteil. Die drei Anwälte, die die Verteidigung für erforderlich hält, arbeiten schon seit Monaten für Zschäpe – im Vertrauen darauf, dass bald eine offizielle Bestellung erfolgt.
Ein historisch bedeutendes Verfahren
Aber auch die Anwälte haben keinen Nachteil aus der nachträglichen Bestellung. Stahl und Sturm bekommen derzeit zwar kein Geld vom Staat und werden nach eigenen Angaben auch von sonst niemand bezahlt. In derartigen Großverfahren wird in der Regel aber eine Pauschalvergütung vereinbart, in deren Höhe dann auch die Zeit eingerechnet wird, in der die gerichtlich bestellten Verteidiger nur als Wahlverteidiger tätig waren.
Nach Auskunft von Experten kann es in intensiven Verfahren, die sich über sehr lange Zeit hinziehen, um Summen um die 100.000 Euro handeln. Heer, Stahl und Sturm machen den Job aber weniger wegen des Geldes. Sie sind gut verdienende Strafverteidiger, die in der gleichen Zeit auch andere, besser bezahlte Mandate übernehmen könnten. Sie sind auch keine rechten Szeneanwälte mit ideologischer Nähe zur Angeklagten, sondern klassische Verteidiger ohne Berührungsängste.
Falsch ist auch die Vermutung des Satiremagazins Titanic, Zschäpe hätte sich die Anwälte wegen ihrer martialischen Namen zusammengesucht. Den Anwälten, die wohl von Kollegen und nicht von Zschäpe angesprochen wurden, geht es vor allem um die Teilnahme an einem historisch bedeutenden Verfahren – und vermutlich auch um ein bisschen damit verbundenen Ruhm.
Bisher schweigt Beate Zschäpe, die in Köln in Untersuchungshaft sitzt, und es gibt auch keine Anzeichen, dass sie bald doch noch auspacken wird. Zur Verfahrensstrategie schweigt auch ihr Anwalt Wolfgang Stahl. Aber es ist aus vielen Verfahren bekannt, dass erfahrene Strafverteidiger ihren Mandanten raten, einfach die Aussage zu verweigern, um dann zu versuchen, die Beweise der Anklage in Zweifel zu ziehen.
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