Kita-Volksinitiative: Streit um Beträge: Wie viel würde die Umsetzung kosten?

Der Senat erklärt, die Kita-Volksini stelle Forderungen über 350 Millionen Euro. Laut Jugendhilfeausschuss-Protokoll sind es nur 242 Millionen. Linke fordert Aufklärung.

Eine Frau mit dunklen Haaren hält ein Bilderbuch in der Hand. Um sie herum sitzen Kinder und schauen auf das Buch.

Märchenstunde: Gestritten wird darüber, wie der Betreuungsschlüssel aussehen soll Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Forderung der Volksinitiative „Mehr Hände für Hamburgs Kitas“ sei viel zu hoch, hatten die Spitzen von SPD und Grünen-Fraktion zwischen den Jahren erklärt, und den Gang vors Gericht angekündigt. Sie beriefen sich auf Zahlen des Senats. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hatte schon zuvor in der Zeit erklärt: „Insgesamt kostet die Umsetzung aller Forderungen rund 350 Millionen Euro – zusätzlich zu dem, was wir bereits investieren.“ Und man bräuchte 7.500 neue Vollzeiterzieher. Beides sei „nicht ganz realistisch“.

Doch die Volksinitiative folgt mit ihren Forderungen den Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung für gute Betreuung. Hamburg ist Schlusslicht unter den West- Bundesländern, weil es in der Krippe (null bis drei Jahre) den empfohlenen Personalschlüssel von eins zu drei weit unterschreitet.

Momentan liegt der Schlüssel in Hamburg bei 1:5,1. Kita-Verbände und Stadt hatten deshalb schon 2014 „Eckpunkte“ für Schritte der Verbesserung bis 2026 vereinbart, die allein für die Krippen 100 Millionen Euro jährlich kosten.

Ein Behördenvertreter hatte aber im Landesjugendhilfeausschusses im November vergangenen Jahres bereits vorgerechnet, dass nach Abzug dieser Planungen der Stadt durch die Kita-Initiative „strukturelle Mehrkosten von rund 242 Millionen Euro pro Jahr entstehen“. Also deutlich weniger. Das Ausschuss-Protokoll liegt der taz vor.

Bertelsmann hatte bei Bekanntgabe ihrer Studie im August vorgerechnet, für die empfohlenen Personalschlüssel wären jährlich nur rund 158 Millionen Euro nötig und 3.600 Erzieher. Erstaunlich: Noch bevor die Volksinitiative überhaupt gestartet war, hatte der Senat auf Anfrage von SPD und Grünen ein „Kostenszenario“ vorgelegt, wonach sogar die mehr als doppelte Summe nötig wäre, nämlich 405 Millionen Euro.

Die Initiative fordert in der Krippe einen Personalschlüssel von 1:3. Bei den Elementarkindern von 1:7,5. Es soll anerkannt werden, dass Fachkräfte 25 Prozent für unmittelbare Pädagogik und Ausfallzeit brauchen.

Diese besseren Schlüssel sollen schrittweise bis 2028 eingeführt werden.

Laut der Bertelsmann-Studie liegt der Personalschlüssel in Hamburgs Krippen momentan bei 1 zu 5,1, im Elementar-Bereich bei 1 zu 9.

Der Ablauf erinnert an die Volksinitiative „Guter Ganztag“ für verbesserte Ganztagsschulen. Als diese Initiative vor zwei Jahren ihre Unterschriften einreichte, rechnete Schulsenator Ties Rabe (SPD) vor, deren Wünsche würden 1,6 Milliarden Euro verschlingen. Geeinigt hat man sich dann auf niedrige zweistellige Millionenbeträge für Investition und Personal.

„Wir haben den Eindruck, dass der Senat bewusst mit falschen zahlen arbeitet, um schlechte Stimmung gegen die Kita-Volksinitiative zu machen“, sagt Mehmet Yildiz, Kita-Politiker der Linksfraktion. Das, was die Initiative fordere, fände sich größtenteils in besagten „Eckpunkten“ wieder. „Die Initiative möchte gesetzlich verankern, was der Senat versprochen hat. Aber der macht Stimmung, statt zu reden.“ Yildiz plant jetzt eine Anfrage, in der er nach den Kosten dieser und auch früherer Volksinitiativen fragen will

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sieht in den Zahlen keinen Widerspruch, man könne auf verschiedenen Wegen über das Thema reden, schließlich hätten SPD und Grüne in ihren Anfragen auch „die eigenen Planungen“ mit abgefragt. „Trotzdem, ob der Mehrbedarf bei 250 oder 350 Millionen Euro liegt, das ist alles oberhalb der Schallgrenze“, sagt er. Die Stadt habe die Schuldenbremse einzuhalten.

Es sei auch nicht richtig, dass man nicht mit der Initiative spreche. Diese Woche gebe es ein Treffen. Und auch für die Kita-Initiative gelte der gleiche Ablauf. Sprich: Nachdem sie die Unterschriften einreicht und der Wahlleiter das Zustandekommen erklärt, gibt es eine Verhandlungsphase mit der Bürgerschaft. „Die gerichtliche Überprüfung“, sagt Dressel, „erfolgt erst, nachdem sich die Bürgerschaft damit befasst hat, wenn sie die Forderungen nicht übernimmt.“

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