Kita-Streit in Deutschland: Sieben Wochen Unklarheit

Die Verhandlungen gehen erst im August weiter. Bis dahin befragen die Gewerkschaften ihre Basis: Soll der Streik in eine zweite Runde gehen?

Erst mal herrscht Friedenspflicht, heißt also: ab in die Kita mit den Kindern. Foto: dpa

BERLIN taz | Im Gewerkschaftssprech gibt es eine neue Vokabel: „aufsuchende Mitgliederbefragung“. Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen kommunalen Arbeitgebern und Gewerkschaften am Donnerstag erneut ergebnislos endeten, kündigte Verdi-Chef Frank Bsirske die aufsuchende Mitgliederbefragung an – als Puffer zwischen einer neuen Verhandlungsrunde oder einem neuen Streik. „Die Arbeitgeber waren nicht bereit, über das Ergebnis der Schlichtung hinaus zu gehen“, sagte Bsirske in Offenbach. „Deshalb haben jetzt die Verdi-Mitglieder im Sozial- und Erziehungsdienst das Wort.“

In den nächsten fünf Wochen werden Gewerkschaftssekretäre von Verdi, von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und vom Beamtenbund in Kita, Sozialstationen, Behinderten- und Jugendhilfeeinrichtungen gehen, die Kollegen über den Schlichterspruch informieren und ihre Meinung einholen. Das Votum der Basis entscheidet darüber, ob Gewerkschaften und Arbeitgeber am 13. August ihre Tarifverhandlungen zum gütlichen Ende führen oder der Kita-Streik in die zweite Runde geht. Bis dahin herrscht die Friedenspflicht. Das heißt: Kitas bleiben geöffnet, Schulhorte können wie geplant ihre Sommerferienprogramme starten.

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) moniert die Umfragepause. „Dass die Gewerkschaften Kinder und Eltern weitere sieben Wochen über den Tarifkonflikt und drohende Streiks im Unklaren lassen wollen, kritisieren wir deutlich“, sagte VKA-Präsident Thomas Böhle. Es liege eine Einigungsempfehlung der Schlichter auf dem Tisch. „Es gibt somit aus unserer Sicht keinen Grund, den Tarifkonflikt weiter in die Länge zu ziehen.“

Doch die 300 Streikdelegierten, die Verdi am Mittwoch in Frankfurt zusammengerufen hatte, sahen das anders. Sie waren größtenteils enttäuscht von der Empfehlung der Schlichter, die zwar Gehaltserhöhungen für einzelne Berufsgruppen, aber keine Aufwertung des gesamten Berufsfeldes vorsieht. So sollen etwa Schulsozialarbeiter gar nicht profitieren, eine Kita-ErzieherIn mit vierjähriger Berufserfahrung bekäme 33 Euro mehr.

Dass die Delegierten das Ergebnis zurückwiesen, ist auch eine Schlappe für die Verdi-Verhandlungführung um Bsirske. Der Verdi-Vorstand hatte den Schlichterspruch am Dienstag als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ bewertet. Nach der Konferenz räumte Bsirske ein, es gebe viele Vorbehalte. Jetzt sei die zentrale Frage, „ob mit einer Fortsetzung des Streiks ein substanziell besseres Ergebnis erzielt werden kann, als es jetzt vorliegt.“ Aus Verhandlerkreisen hieß es, das werde wohl sehr schwierig.

Der Tarifexperte Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln bewertet den Kitastreik jedoch als Erfolg. Der Kompromiss könne sich sehen lassen. Und noch wichtiger: „Verdi hat es zum zweiten Mal nach 2009 geschafft, für eine besondere Teilgruppe im öffentlichen Dienst eine Sondertarifrunde durchzusetzen.“

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