Kirche wird Moschee: Tempel bleibt Tempel
In Horn wird eine ehemalige evangelische Kirche zu einer Moschee. Hier treffen sich künftig Muslime, die rund zwanzig Jahre in einer Tiefgarage in St. Georg beteten.
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HAMBURG taz | Das islamische Zentrum Al-Nour hat im Hamburger Stadtteil Horn ein leer stehendes Kirchengebäude gekauft. Die sunnitische Gemeinde will in rund drei Monaten beginnen, die Innenräume des Gotteshauses zu renovieren. „Von außen Kirche, von innen Moschee“, sagt der Vorsitzende des Al-Nour-Vereins Daniel Abdin. Denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
Die evangelische Kirche hatte die ehemalige Kapernaumkirche in Horn bis 2005 für Gottesdienste genutzt. Als die Christen nicht mehr kamen, verkaufte sie das Haus an einen privaten Investor. Der hatte versprochen, dort eine Kindertagesstätte einzurichten, sagt der SPD-Vorsitzende des Regionalausschusses Horn, Hansjörg Schmidt. Auf den angrenzenden Grundstücken baute der Wohnanlagen für Senioren – die Kirche aber blieb leer.
Im vergangenen November hat nun die Al-Nour-Gemeinde die Räume übernommen. Die Muslime hatten zuvor rund 20 Jahre lang einen Gebetsraum im Stadtteil St. Georg genutzt, in der Tiefgarage eines alten Bürogebäudes. Der Umzug in die Kapernaumkirche sei für die Gläubigen ein wichtiger Schritt „raus aus den Hinterhöfen und den Garagen“, sagt der Vorsitzende Abdin. Etwa 600 Mitglieder habe die Al-Nour-Gemeinde in St. Georg. Die neue Moschee in Horn sei allerdings nur für maximal 300 Besucher angelegt. Die restlichen Gläubigen sollen, laut Abdin, zunächst den alten Gebetsraum weiter nutzen und sich später auf umliegende Moscheen verteilen.
Stadtteilpolitiker Schmidt blickt den vielen neuen Nutzern der Kirche mit Sorge entgegen: „Ich kann mir vorstellen, dass es zu einem Parkplatzproblem kommt“, sagt er. Vor allem, wenn zu den Freitagsgebeten der Andrang groß sei. Sein Stellvertreter im Regionalausschuss, Michael Osterburg von den Grünen, teilt diese Bedenken allerdings nicht. Mit der U-Bahn-Station „Horner Rennbahn“ sei die neue Moschee gut angebunden, sagt er. Osterburg hat die Suche der Al-Nour-Gemeinde nach einem neuen Gebetsraum in den vergangenen Jahren beobachtet. Oft seien die Muslime wegen protestierender Nachbarn abgewiesen worden. In Horn wissen dagegen erst wenige Anwohner von der neuen Moschee, sagt Schmidt. Auch die Stadtteilpolitiker hätten erst vor einigen Wochen den Verkauf des Gebäudes bemerkt – als sie sich bei der Stadt über die „Vermüllung“ der verlassenen Kirche beschwerten.
Daniel Abdin will im kommenden Monat eine Informationsveranstaltung für die Nachbarschaft organisieren. Die Moschee solle nicht nur ein Ort für Muslime werden, sagt er, „sondern für alle“. Kirchenvertreter hätten ihm signalisiert, dass sie sich über den Erhalt des Gotteshauses freuen, sagt er. Als neuer Besitzer des Gebäudes wird Abdin aber künftig auch klären müssen, was mit den Obdachlosen passiert, die seit einigen Monaten im Schutz der Kirche übernachten.
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