Kinotipp der Woche: The Sound of it All
Das Soundwatch Music Film Festival zeigt Musiker:innenporträts wie „Ennio“ und den Sound in Städtchen und Städten – von Versailles bis Köln.
Das Genre Musikdoku boomt. Allein was da in der Arte-Mediathek ständig an Portraits über The Who bis Patti Smith herumschwirrt. Und wenn dann niemand Geringeres als Peter Jackson altes Filmmaterial zu „Get Back“ neu aufbereitet, das die Beatles beim Einspielen eines neuen Albums beobachtet, wird das zum Großereignis, auch wenn der Spaß auf ganze acht Stunden aufgebläht wurde. Das Soundwatch Music Film Festival Berlin, das nun zum sechsten Mal statt findet, vom 8. bis zum 21. November, ist somit längst mehr als nur eine Nischenveranstaltung. Dafür spricht auch, dass es in gleich mehreren Berliner Kinos beheimatet ist und von einem Konzert und einer Ausstellung als Rahmenprogramm begleitet wird.
Das Schöne an Musikdokus ist, dass sie, wenigstens wenn einen der Gegenstand der Betrachtung einigermaßen interessiert, gleichzeitig gut unterhalten und fortbilden und zudem noch mit interessanten Sounds locken. Prinzipiell gibt es, grob unterteilt, zwei Kategorien innerhalb des Genres: Das Musiker- oder Musikerinnenportrait und das Nachzeichen eines bestimmten Musikstils oder einer Szene. Von beidem bietet das Soundwatch wieder mehr als genug. „Energy“ etwa portraitiert in der Kategorie eins den unermüdlichen Damo Suzuki, der in den Siebzigern Sänger der Kölner Band Can war und sich danach aufmachte, die Welt immer und immer wieder zu betouren.
Und dann wäre da noch „Ennio – der Maestro“, eine wirklich fantastische Dokumentation über Ennio Morricone, die darum bemüht ist zu zeigen, dass der Meister weit mehr drauf hatte, als Spaghetti-Western mit unsterblichen Melodien zu unterlegen. Allein die Auswahl der Talking-Heads ist exzellent, es kommen Bewunderer von Clint Eastwood bis Mike Patton zu Wort. Und die Musik ist sowieso zum Niederknien.
6. Soundwatch Music Film Festival Berlin, 8.–21. 11. im Lichtblick-Kino, im Klick Kino und an anderen Orten
French Touch und Kölner Sound
Szene- und Genre-mäßig werden dagegen etwa 2 Tone, diese typisch britische Postpunkbewegung, die den jamaikanischen Ska für sich wiederentdeckte, beleuchtet. Und in „Why Versailles?“, einem ziemlich persönlichen Film von Marc Collin von der Band Nouvelle Vague, wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung ausgerechnet die schicke Stadt mit dem Schloss, nämlich Versailles, für die Entwicklung des sagenumwobenen sogenannten French Touch hatte.
Der Sound, der dann spätestens Dank Daft Punk die Welt eroberte, hat seine Ursprünge schließlich weniger in Paris, als vielmehr in der kleinen Touristenstadt. Air, Phoenix, Étienne de Crécy und wie sie alle heißen, werkelten alle hier an ihren bahnbrechenden Sounds. Und man sieht auch, wie alles begann, wie die späteren French-Touch-Heroen sich erst in irgendwelchen New-Wave-Bands abmühten. Und vor allem: Was für herrliche Popperfrisuren sie als Jugendliche hatten.
Auch „The Sound of Cologne“ ist so ein Film, der eine Stadt anhand ihrer Musikgeschichte erkundet. Allerdings geht er spannend los, um dann irgendwann der eigenen Erzählung zu misstrauen. Er beginnt mit dem Studio für Elektronische Musik und Karlheinz Stockhausen in den Fünfzigern. Köln wird zu einem weltweit bekannten Zentrum für innovative Klänge. Dann tauchen Can in den Siebzigern auf, wieder Avantgarde hoch zehn.
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In den Achtzigern schwappt Acid House nach Köln und dann geht es Schlag auf Schlag. Kompakt, Wolfgang Voigt, A-Musik, alles kommt vor, man erfährt zwar nichts, was man nicht schon wusste, befindet sich aber wenigstens auf einer einigermaßen vergnüglichen Zeitreise zurück in die Hochzeit des „Sound of Cologne“. Doch zunehmend saugt die Strahlkraft Berlins die Kreativimpulse der Stadt am Rhein ab. Mouse on Mars und die Spex-Redaktion ziehen hierher, Köln wird immer öder.
Aber mit diesem Befund möchte die Doku nicht enden und schleppt sich jetzt noch eine halbe Stunde lang so hin, um zu berichten, dass es so schlimm dann doch nicht sei. „Ennio“ ist ein Film mit Überlänge, „The Sound of Cologne“ ist dagegen einfach nur zu lang.