Kinotipp der Woche: Kampf um Freiheit

Das diesjährige Human Rights Film Festival eröffnet mit der Dokumentation “Ithaka“. Sie begleitet den Vater von Julian Assange.

„Doch das Böse gibt es nicht – Sheytan vojud nadarad“, (Iran / Deutschland 2020, R: Mohammad Rasoulof) Foto: HRFFB

John Shipton ist ein älterer Gentleman, der einen ziemlich berühmten Sohn hat: den WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Der befindet sich gerade in Haft in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis. Die USA verlangen seine Auslieferung, sie wollen den Whistleblower wegen Geheimnisverrats anklagen, ihm droht eine Haftstrafe bis an sein Lebensende. Für welches Vergehen genau? Für das, mutmaßliche Kriegsverbrechen der USA in ihren Kriegen in Afghanistan und im Irak aufgedeckt und öffentlich gemacht zu haben.

Ist Assange nun ein Verbrecher oder ein Heiliger? Für Shipton ist er vor allem der Sohn und den möchte er freibekommen und am liebsten zurück in dessen Heimat Australien holen.

Um sein Ziel zu erreichen, das weiß er, braucht er öffentlichen Druck. Der Umgang mit Assange muss skandalisiert werden. Also reist er um die ganze Welt, um um Unterstützung zu werben. Unter anderem auch nach Berlin, wo vor allem Vertreter der Linkspartei sich mit ihm treffen wollen. Ein für die anderen Parteien beschämender Befund.

Der Dokumentarfilm “Ithaka“ (2022) von Ben Lawrence erzählt von diesem Kampf um Freiheit und für Gerechtigkeit. Aber auch von einem alten Mann, der, wenngleich auch unfreiwillig, noch einmal eine neue Lebensbestimung gefunden hat.

Human Rights Film Festival Berlin: 13. bis 23. Oktober, in diversen Berliner Kinos

Der Film, der das diesjährige Human Rights Film Festival Berlin eröffnet, das in mehreren Kinos über die ganze Stadt verteilt vom 13. bis zum 23. Oktober statt findet, ist trotz des im Kern brisanten Themas kein Reißer. Eher so zurückhaltend und vorsichtig wie John Shipton.

Aktivistisch und politisch

Das gilt ähnlich für die meisten der Dokumentarfilme, die auf dem Festival zu sehen sind. Allen gemein ist, dass sie ein Anliegen haben, dass sie aktivistisch und politisch sind. Dieser Anspruch geht dann manchmal schon etwas auf Kosten von formalem Anspruch oder so etwas wie Spannung.

Sich wie in “Ithaka“ dem Sohn über den Vater zu nähern, ist ja schon einigermaßen originell, aber so sehr dann auch nicht. Und am Ende bleibt Assange einfach die spannendere, weil kontroversere Figur als sein Vater.

Auch “The Radical“ (2022) von Richard Finn Gregory ist eher ein konventionell gemachter Dokumentarfilm. Er lebt vor allem durch die Person, die im Mittelpunkt seiner Beobachtungen steht: Muhsin Hendricks, der erste offen schwule Imam der Welt. Der lebt in Südafrika und hat eine Gruppe für queere Moslems gegründet. Und das verschafft ihm in dem nicht besonders queerfreundlichen Land ziemlich viele Feinde.

Themen, die weh tun

In den Werken, die auf dem Human Rights Film Festival zu sehen sind, geht es neben dem Kampf gegen die Unterdrückung der Pressefreiheit (“Ithaka“) und den gegen Homophobie (“The Radical“) noch um viele weitere Themen, die weh tun und die das Versagen von Autoritäten, Gesellschaften und gewissermaßen der ganzen Menschheit (Umweltschutz!) anprangern.

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“Children of the enemy“ (2021) von Gorki Glaser-Müller beispielsweise erzählt von einem Vater, dessen Tochter sich islamisiert und dem IS angeschlossenen hatte. Inzwischen ist er Großvater und hat fünf Enkelkinder. Die würde er gerne zu sich nach Schweden holen. Doch daran scheint die Politik kein Interesse zu haben.

Der dringlichste Film, der in diesem Jahr auf dem Human Rights Film Festival gezeigt wird, ist dann aber gar kein Dokumentar-, sondern ein Spielfilm. Nämlich “Doch das Böse gibt es nicht“ (2020) des iranischen Regisseurs Mohammad Rasulof. Der wurde erst vor kurzem verhaftet, was Kritikern des iranischen Regimes sehr schnell passieren kann.

Und angesichts der aktuellen Ereignisse im Iran ist sein Episodenfilm, der vor zwei Jahren den Goldenen Bären auf der Berlinale gewonnen hat, eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Todesstrafe, aktueller denn je. Denn die droht gerade sehr vielen mutigen Menschen im Iran.

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