Kinoempfehlungen für Berlin: Vom Sandkasten bis zur Bahre
Mit einer Ausstellung und Filmen bespielt die Künstlerin Beth B das silent green, die UFA-Filmnächte eröffnen, „Blow Up“ macht ein Geheimnis sichtbar.
Z u erster Prominenz gelangte die amerikanische Künstlerin Beth B mit ihren Filmen im Umfeld der avantgardistischen New Yorker No Wave-Szene am Ende der 1970er Jahre. Zeitgenossen von Punk und New Wave, wollten Musiker wie James Chance und Lydia Lunch oder Filmemacher wie Scott B und Beth B keiner „Welle“ angehören und taten es – kaum dass der entsprechende Begriff geprägt war – dann eben doch irgendwie.
Heute wird Beth B deshalb auch nicht mehr so gern auf diese Zeit angesprochen: Natürlich sei das ein Teil ihres künstlerischen Werdegangs, sagt sie, aber darauf reduziert werden möchte sie keinesfalls. Viel wichtiger sei es voranzuschreiten und im Jetzt zu leben und zu arbeiten.
Weshalb die aktuelle Ausstellung, mit der Beth B in Zusammenarbeit mit ihrem Partner Jim Coleman bis zum 25.8. die Betonhalle des silent green bespielt, auch „Now Wave: Beth B Glowing“ betitelt ist. Zentrales Thema der Ausstellung ist die Überwindung verschiedenster Traumata, von der Kindheit bis zum (Beinahe-)Tod, von der Schaukel und dem Sandkasten bis zur Bahre, die sich als Teile von Installationen in den Räumlichkeiten des ehemaligen Krematoriums finden lassen.
Im Mittelpunkt der Ausstellung aber steht die aus einem Theaterprojekt hervorgegangene dreikanalige Videoinstallation „Glowing“, sechs individuell in Szene gesetzte Porträts von Künstler:innen (überwiegend aus den Bereichen Musik und Performance), die sehr persönlich von ihren Lebenskrisen und deren Überwindung erzählen – oder singen. Vier der Künstler:innen werden am 23. August zu einer Live-Performance zu Gast sein.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
In der Kuppelhalle des silent green sind neben Konzerten und Lesungen auch immer wieder Filmprogramme zu erfahren, die Bandbreite der Werke von Beth B reicht von avantgardistischen Kurzfilmen über Spielfilme bis zu Dokumentationen. Auch ihr dokumentarisches Porträt der frühen Weggefährtin Lydia Lunch („Lydia Lunch – The War Is Never Over“, 2020) ist ein Film ganz im Einklang mit der Thematik der Ausstellung.
Offen berichtet die Musikerin von familiären Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und ihrem Weg, dies künstlerisch zu verarbeiten. Die Filmvorführung am 16.8. ergänzt Lydia Lunch mit einer Spoken Word Performance („Now Wave: Beth B Glowing“, 15.8.–25.8., „Lydia Lunch – The War Is Never Over“, 16.8., 19.30 Uhr, silent green).
Mit den UFA-Filmnächten 2024 ist es einmal mehr Zeit für Stummfilmvorführungen unter freiem Himmel im Kolonnadenhof der Alten Nationalgalerie: Eröffnet wird am 21.8. mit einer vom Deutschen Filminstitut & Filmmuseum (DFF) digital restaurierten Fassung der temporeichen Verwechslungskomödie „Saxophon-Susi“ (1928) von Carl Lamač, in der seine Partnerin Anny Ondra als adelige junge Frau auf Revue-„Abwegen“ bei den Londoner Tiller-Girls reüssiert. Die vielen Musik- und Tanzeinlagen des Films werden live von dem Saxophonisten Frido ter Beek und dem Filmorchestra The Sprockets begleitet (21.8., 21 Uhr, Kolonnadenhof Alte Nationalgalerie).
In seinen besten Filmen war Michelangelo Antonioni der Regisseur einer Sinnkrise der modernen Gesellschaft: Seine Protagonist:innen suchen in einer schönen neuen Welt nach Sinn und finden in aller Regel gar nichts. So ergeht es auch einem Londoner Modefotografen (David Hemmings) in „Blow Up“, als er versucht, der extrem grobkörnigen Vergrößerung eines Fotos, auf der vielleicht ein Mord zu sehen ist, ihr Geheimnis zu entreißen.
Antonioni zeigt das Swinging London der 1960er Jahre als einen Ort der Oberflächlichkeit – aber das ist natürlich auch verführerisch: Der Film wurde ein großer Erfolg (16.8., 18 Uhr, Bundesplatz Kino, 18.8., 20 Uhr, Filmkunst 66).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus