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Kinder fragen, die taz antwortetLinks- und Rechtsextremismus, was …

… ist da eigentlich der Unterschied? Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Diese kommt von Terje, 9 Jahre alt.

Ist Extremismus immer dasselbe „Ding“, egal, ob wir ihn von links oder von rechts betrachten? Foto: Frank Sorge/imago

Lieber Terje, weißt du, dass viele Menschen den Begriff Hufeisen verwenden, um Links- und Rechtsextremismus zu erklären? Das geht auf einen Mann namens Eckhard Jesse zurück, der die sogenannte Extremismustheorie entwickelte. Jesse stellt sich das politische Spektrum wie ein Hufeisen vor. In der Mitte befinden sich seiner Meinung nach die angeblich harmlosen Menschen, während an den linken und rechten Rändern die Ex­tre­mis­t*in­nen zu finden seien.

Seine Theorie ist problematisch, denn die Realität sieht ganz anders aus. Nicht nur von Ex­tre­mis­t*in­nen geht Gefahr aus, sondern auch von Menschen, die in der Mitte der Gesellschaft verortet werden. Außerdem lässt das Hufeisenmodell es so aussehen, als wären rechte und linke Gewalt gleich schlimm und gar nicht so weit voneinander entfernt. So sind Fragen wie deine durchaus berechtigt.

Was ist denn nun der Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus? Menschen, die als Links­ex­tre­mis­t*in­nen gelten, geht es um die totale Gleichheit aller Menschen in der Gesellschaft. Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen hingegen lehnen gleiche Rechte für alle Menschen ab, weil sie manche für wertvoller halten als andere. Ihre Feinde sind zum Beispiel Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben, Menschen mit Behinderungen, Schwule, Lesben oder Transmenschen. Oft versuchen Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen diese mit Gewalt zu bekämpfen.

Auch im Linksextremismus spielt Gewalt eine Rolle, vor etwa 50 Jahren haben linksextreme Terrorgruppen viele Menschen in Deutschland umgebracht. Heute richtet sich linksextreme Gewalt in den meisten Fällen gegen Objekte wie Gebäude oder Autos.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Allerdings bringen Po­li­ti­ke­r:in­nen rechte Gewalttaten immer wieder mit linken in Zusammenhang. Als Beispiel fällt mir der Terroranschlag in Hanau im Februar 2020 ein, bei dem ein Rechtsextremist zehn Menschen tötete. Als Reaktion darauf schrieb der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel: „Es lässt sich nicht abstreiten, dass linke Chaoten auf Polizisten eindreschen, Autos und Mülltonnen in Brand setzen und immer wieder hohe Sachschäden verursachen.“ Das ist eine typische Reaktion: Geht es um rechte Gewalt, so denken viele, muss es unbedingt auch um linke gehen.

Dabei könnte der Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus größer nicht sein. Vielleicht fällt dir ja ein Symbol ein, das besser geeignet ist als ein Hufeisen? Ich denke auch mal darüber nach.

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17 Kommentare

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  • »Ob Links- oder Rechtsterrorismus – da sehe ich keinen Unterschied.«

    »Doch, doch«, ruft das Känguru, »die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos sind schlimmer, denn es hätte meines sein können. Ausländer besitze ich keine.« (Marc-Uwe Kling, Die Känguru-Offenbarung)

  • Klar ist es von beiden Seiten her schlecht unsere Demokratie zu zerstören. Leider werden aber immer wieder Antifaschisten die unseren Staat gegen Rechte verteidigen in die Extremisten Ecke gestellt.

  • "Menschen, die als Links­ex­tre­mis­t*in­nen gelten, geht es um die totale Gleichheit aller Menschen in der Gesellschaft."

    Da würde ich mich sicherheitshalber nicht drauf verlassen. Die linken Versuche eine freie Gesellschaft aufzubauen, endeten in aller Regel im Lager und bei Säuberungen, beinharten Diktaturen und Terror.

    "Alle Menschen sind gleich, nur manche sind gleicher als andere."

    • 6G
      619501 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Mir fällt spontan auch gar kein Land mit ner sozialistischen oder kommunistischen Regierung ein, wo ich leben möchte. Meistens wird man sie auch gar nicht mehr per Wahlen los, wenn sie einmal dran sind.

    • @Jim Hawkins:

      Nein, nicht alle "Versuche" endeten so, wenn man sich Kuba, DDR oder Vietnam ansieht.

      Man könnte vielleicht sagen, dass es bisher nur Vorstufen von Kommunismus gab, quasi den "rohen Sozialismus", den ja selbst Marx noch als "Diktatur des Proletariats" kennzeichnete.

      Problematisch für die bisherigen sozialistischen Länder war halt, dass diese ausnahmslos unter Feuer genommen wurden, so dass sie überhaupt keine Chance hatten, in Ruhe und Frieden einen demokratischen Sozialismus aufzubauen.

      Die Frage, die sich deshalb stellt, ist: Wie wäre die Geschichte der sozialistischen Projekte verlaufen, wenn man diese in Ruhe gelassen hätte?

      • @Uns Uwe:

        Ich weiß ja nicht, ob die DDR und Kuba gute Beispiele sind. In beiden hatte jede Opposition wenig Freude.

        Und das Argument, "hätte man sie in Ruhe gelassen", ist ein wenig weinerlich.

        Wenn das Modell so viel besser ist, als der Kapitalismus, warum kann es sich dann nicht durchsetzen?

        • @Jim Hawkins:

          Wie würde Deutschland dastehen, wenn man es seit 60 Jahren einem Wirtschaftsembargo wie gegen Kuba unterzogen hätte, anstatt dieses Land per Marshallplan aufzupäppeln?

          www.freitag.de/aut...der-kriegsfuehrung

          Ihre Frage nach der fehlenden Durchsetzungsfähigkeit des Sozialismus negiert völlig den Kontext, das heißt, die Mittel, die der Kapitalismus einsetzt, um ihn zu zerstören: heiße Kriege ("Operation Barberossa"), kalte Kriege (Totrüsten), Wirtschaftsembargos (Kuba) oder Putsche (Chile).

          Das ist so, als wenn im Fußball ein Team A die Spieler des Teams B permanent und ungestraft foult und anschließend jemand fragt, warum sich denn Team B nicht durchsetzen kann.

          Deswegen meine Frage oben, was wäre wenn all diese Fouls nicht stattgefunden hätten.

          • @Uns Uwe:

            Niemand hat gesagt, dass das alles ein Kindergeburtstag ist.

            Davon mal ganz abgesehen, Freiheitsrechte gab und gibt es in ihren Beispielen nicht.

            Die DDR hatte ihren paranoiden Stasi-Apparat und in Kuba wird die Opposition gewaltsam unterdrückt.

            Ich kann da keine leuchtenden Beispiele erkennen.

            • @Jim Hawkins:

              Wenn einem Staat systematisch die Mittel genommen werden, um Fortschritt und Wohlstand herzustellen, dann wird Unzufriedenheit erzeugt, den tendenziell jeder Staat mit Repression beantwortet.

              So wird mit der ökonomischen Retardierung auch die gewünschte politische Verzerrung erreicht.

              Und wenn die USA die BRD nicht mit Geld, Technologietransfer und freien Handelsbeziehungen massiv unterstützt sondern genau so blockiert hätte, wie Kuba, dann würde Deutschland heute so aussehen wie Nordkorea.

              • @Uns Uwe:

                In ihrer Erzählung kommt der Sozialismus nur als Opfer vor.

                Ist das nicht ein bisschen zu einfach?

                Ganz davon abgesehen, dass eine Idee, die der gesamten Menschheit Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Glück in Aussicht stellt, bei ihnen nicht gerade besonders selbstbewusst rüber kommt.

                Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin kein Fan des Kapitalismus, sehe aber wie etwa Wolfgang Pohrt, das höchste der Gefühle darin, einen halbwegs funktionierenden Sozialstaat zu erhalten.

                Und selbst damit sieht es mittlerweile mau aus.

                Die Zukunft sieht autoritär, faschistisch aus. Und ich sehe keine Kraft, die sich dem entgegen stellt.

                • @Jim Hawkins:

                  "In ihrer Erzählung kommt der Sozialismus nur als Opfer vor. Ist das nicht ein bisschen zu einfach?"

                  Einfach wäre es, die das Verschwinden sozialistischer Projekte ohne den Zusammenhang mit all den verheerenden Angriffen dagegen zu betrachten, angefangen bei der Vernichtung der Französischen Kommune.

                  "Ganz davon abgesehen, dass eine Idee, die der gesamten Menschheit Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Glück in Aussicht stellt, bei ihnen nicht gerade besonders selbstbewusst rüber kommt."

                  Kommunismus würde ich nicht als "Idee" (=Fantasie) ansehen. Ich schätze auch die Innovationskraft des Kapitalismus, denke aber, dass es sich eigentlich nur um die menschliche Kreativität handelt, welche man ganz anders entfalten müsste, also für menschliche Zwecke.

                  "ich bin kein Fan des Kapitalismus, sehe aber wie etwa Wolfgang Pohrt, das höchste der Gefühle darin, einen halbwegs funktionierenden Sozialstaat zu erhalten. Und selbst damit sieht es mittlerweile mau aus."

                  Kapitalismus kann Technik, aber kann nicht sozial.

                  "Die Zukunft sieht autoritär, faschistisch aus. Und ich sehe keine Kraft, die sich dem entgegen stellt"

                  Den Antagonismus zwischen links und rechts gilt es anzuerkennen!

          • 6G
            619501 (Profil gelöscht)
            @Uns Uwe:

            Die DDR hatte keinen Marshallplan und musste Reparationen an die UdSSR zahlen. Zudem hatte der RGW kein Wirtschaftsembargo des Westens.



            Trotzdem sind sie wirtschaftlich völlig den Bach runter gegangen. 40 Jahre wären eigentlich genug Zeit gewesen, sich durchzusetzen. Meinen Sie nicht?



            Und was das totrüsten angeht: Der Wahrschauer Vertrag war immer weit, weit überlegen mit Militär.

            In keinem der sozialistischen/kommunistischen Ländern konnte/kann man eine unerwünschte Regierung abwählen.



            Macht auch nicht viel Freude.



            Ohne die eiserne militärische Knute der Partei gegen das eigene Volk gäbs überhaupt keine sozialistischen/kommunistischen Staaten mehr.

            • @619501 (Profil gelöscht):

              "Trotzdem sind sie wirtschaftlich völlig den Bach runter gegangen."

              Das kann man relativ gesehen so sagen.

              Aber das Thema war, dass da einige kräftig nachgeholfen haben:

              "Zu Beginn der 1980er-Jahre war die UdSSR mit zahlreichen ungelösten Problemen konfrontiert. Die Produktivität der Wirtschaft war gering, die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern schlecht. Es bestand in allen Bereichen ein hoher Investitionsbedarf, für den aber wegen der ausufernden Verteidigungsausgaben keine Mittel vorhanden waren. Bei neuen Technologien, wie der Mikroelektronik, Lasertechnologie und Informatik, hatte die UdSSR den Anschluss an den Westen weitgehend verpasst."

              de.wikipedia.org/w...he_Schwierigkeiten

              "Fast gleichzeitig mit der Aufhebung des US-Getreide-Embargos gegen die Sowjetunion setzte sich Reagan für eine weitere Verschärfung der Exportkonditionen für die Ausfuhr hochwertiger Technologien in die Sowjetunion ein. Bereits damals hatte ein Vertreter der amerikanischen Regierung davon gesprochen, die UdSSR technologisch ausbluten zu lassen."

              www.computerwoche....-nachbauer,1186954

              • 6G
                619501 (Profil gelöscht)
                @Uns Uwe:

                Im Prinzip sagen Sie, dass der RGW Raum von nahezu halb Europa und Asien ohne nichtsozialistische Technologie und Ressourcen nicht überlebensfähig war.

                Haben Sie mal überlegt, warum?

                • @619501 (Profil gelöscht):

                  Das habe ich so nicht sagen wollen. Der technologische Rückstand war keineswegs aussichtslos, hatte aber handfeste Gründe, die mit Sozialismus gar nichts zu tun haben:

                  "Es bestand in allen Bereichen ein hoher Investitionsbedarf, für den aber wegen der ausufernden Verteidigungsausgaben keine Mittel vorhanden waren."

                  Man muss ja sehen, dass z.B. Deutschland, Südkorea, Japan und Taiwan von einem großzügigen Technologietransfer von seiten der USA profitierten.

                  Ohne diese Hilfe wären jene Länder auch nicht da, wo sie heute sind. Und wäre dann noch ein Wettrüsten zu stemmen gewesen mit einem vorherigen Weltkrieg - also ich bitte Sie! Welches Land, das zuvor ein reiner Agrarstaat war, kann dann fröhlich mithalten mit einer USA, in der nach dem 2. WK 90% aller Fabriken weltweit standen?

  • Der rassistische Terroranschlag in Hanau war im Februar 2020 nicht 2019.

    • @Kamil K.:

      Danke für den Hinweis!