Kennzeichungspflicht in Niedersachsen: Nummerierte Polizisten
In Niedersachsen sollen Bereitschaftspolizisten identifizierbar werden, doch Personalvertreter laufen Sturm. Sie fürchten Hackerangriffe und Attacken.
HANNOVER taz | Trotz massiven Widerstands von Polizeigewerkschaften und der niedersächsischen Landtagsopposition ringen SPD und Grüne weiter um eine Kennzeichnungspflicht für alle PolizistInnen des Landes. „Einen konkreten Vorschlag werden wir in den nächsten Monaten vorlegen“, verspricht die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag in Hannover, Meta Janssen-Kucz. „Die Kennzeichnung kommt“, sagt auch der SPD-Innenpolitiker Ulrich Watermann – und schränkt vorsichtig ein: Gesucht werde allerdings eine Lösung, die zu möglichst wenig Ärger auf Seiten der PolizistInnen führe.
SPD und Grüne hatten 2013 die Identifizierbarkeit von BeamtInnen auch bei sogenannten „geschlossenen Einheiten“ etwa der Bereitschaftspolizei per Koalitionsvertrag beschlossen. Erfüllt werden soll damit eine langjährige Forderung von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International: Bei Demonstrationen, bei denen gerade Bereitschaftsbeamte mit Helm und Kinnschutz oft vermummt auftreten, soll Polizeigewalt so minimiert und etwaige Täter abgeschreckt werden.
Zwar gab es nach Angaben des niedersächsischen Innenministerium in den Jahren 2008 bis 2011 landesweit nur 17 Fälle, in denen PolizistInnen bei strafrechtlichen Untersuchungen nicht identifiziert werden konnten. Allerdings stieg die Zahl der neuen Ermittlungsverfahren wegen Gewaltausübung oder Missbrauchs des Amts zwischen 2009 und 2013 kontinuierlich – von 164 auf 433 Fälle.
Viele Vertreter von Polizeigewerkschaften und Personalvertretungen wollen von der Kennzeichnungspflicht trotzdem nichts wissen. Polizeigewalt sei ein Randphänomen, die Identifizierbarkeit von Polizisten deshalb schlicht „überflüssig“, argumentiert der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen, Dietmar Schilff.
Brandenburg hat sie als erstes Bundesland schon 2011 eingeführt: die Kennzeichnungspflicht für alle PolizistInnen des Landes.
Im normalen Streifendienst ist das ein Namensschild - doch auch bei Großdemonstrationen müssen BereitschaftspolizistInnen eine "zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung" tragen.
Im Norden eingeführt haben bereits Schleswig-Holstein und Bremen die Identifizierbarkeit von Polizeibeschäftigten.
In Hamburg und Niedersachsen leisten Polizeigewerkschaften dagegen Widerstand: Die Kennzeichnungspflicht komme einem Misstrauensvotum gegen die Polizei gleich, argumentieren sie.
Unterstützung kommt von der Landtagsopposition: „In Zeiten wachsender Gewalt gegen Polizisten“ sei eine Kennzeichnungspflicht „das völlig falsche Signal“, sagt CDU-Fraktionschef Björn Thümler. Und Jan-Christoph Oetjen, Innenpolitiker der FDP, hält „die individualisierte Kennzeichnung“ für „einen Affront gegen alle Polizisten“.
Keine Klarnamen-Pflicht gefordert
Dabei wollen auch SPD und Grüne PolizistInnen nicht zum Tragen ihrer Klarnamen zwingen – schließlich fürchten die BeamtInnen, von Gewalttätern in ihrer Privatsphäre ausspioniert und schlimmstenfalls angegriffen zu werden. In Gesprächen zwischen Innenministerium, Abgeordneten und Polizeivertretern wird stattdessen über die Einführung anonymisierter Nummern diskutiert, die erst bei Beschwerden durch Polizeidienststellen einzelnen BeamtInnen zugeordnet werden sollen.
Nach taz-Informationen wird dabei besonders über ein in Rheinland-Pfalz bereits praktiziertes Modell nachgedacht: Um das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen, könnten PolizistInnen mit nicht nur einer, sondern drei Ziffernkombinationen ausgerüstet werden, die wechselweise getragen werden könnten.
GdP-Chef Schilff aber reicht auch das nicht: Er fürchtet um den Datenschutz. In Zeiten, in denen selbst das Handy der Kanzlerin gehackt werde, seien auch solche Ziffernkombinationen durch Hackerangriffe recherchierbar und damit unsicher, heißt es aus seiner Gewerkschaft.
Aktuell versucht Rot-Grün deshalb, auch diese Bedenken zu zerstreuen: Zum Schutz der PolizistInnen sei die Koalition auf der Suche nach einer „einhundertprozentig“ sicheren Lösung, so die grüne Innenpolitikerin Janssen-Kucz. SPD-Innenminister Boris Pistorius geht sogar noch einen Schritt weiter: Zumindest in Einzelfällen könne „eine anonymisierte Kennzeichnung sogar aus Fürsorgegründen sinnvoll sein“, sagt er – um „ungerechtfertigte Vorwürfe wirksam zu entkräften und einzelne Beamte nicht einem Generalverdacht auszusetzen“.
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