: Kennzeichnung Fehlanzeige
■ Spurensuche in Bremer Supermärkten : Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind nicht erkennbar/ Experten warnen: „Kunden können der Manipulation nicht entgehen“
Verführerisch lachen einen die Süßwaren aus dem Regal an. Daneben laden die Kartoffel-Chips und die Erdnuß-Flips zum Mitnehmen ein. Aber halt – kann man das Zeug überhaupt noch bedenkenlos essen? Handelt man sich beim Kauf genveränderte Lebensmittel ein?
Seit zwei Jahren sind gentechnisch veränderte Soja- und Maisprodukte in Deutschland zugelassen. Darunter fallen neben Süßwaren auch Suppen, Soßen, Pasten, Mayonnaisen, Crackers oder Margarine.
Zum Schutz der VerbraucherInnen gilt seit dem ersten September dieses Jahres aber auch eine neue Verordnung, die die Kennzeichnung dieser Lebensmittel vorschreibt. In Bremer Läden und Supermärkten ist auf den Etiketten jedoch keine Kennzeichnung zu finden. Woran liegt's? Martin Reichwald, stellvertretender Marktleiter bei Comet in der Neustadt, kann keine Auskunft geben. „Da weiß ich überhaupt nichts von.“ Verunsicherten Kunden kann er nicht weiter helfen. Dagegen ist sich Wolfgang Lücke, Abteilungsleiter der Lebensmittelabteilung bei Karstadt, sicher: „Wir verkaufen überhaupt keine gentechnisch veränderten Lebensmittel.“
„So eine Aussage ist maßlos“, kritisiert Michael Müller von der Hanse Analytik GmbH. Als Marktleiter eines Supermarktes könne man sich schließlich nur auf die Aussagen der Lieferanten oder Hersteller verlassen. „Und wenn der sagt, er benutzt keine gentechnisch veränderten Stoffe, wie soll das der Marktleiter beurteilen?“ Für Verbraucher sieht Müller erst recht kaum eine Chance, den Kauf von gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu vermeiden. Schließlich hat die neue Kennzeichnungs-Verordnung jede Menge Ausnahmen.
In einer Übergangsfrist von sechs Monaten dürfen laut Verbraucher-Zentrale bereits hergestellte und etikettierte Lebensmittel auch ohne Hinweis auf eventuellen Gentechnikeinsatz verkauft werden. Für Zusatzstoffe aus gentechnisch veränderten Rohstoffen gelte die Verordnung dagegen nicht, heißt es. So müsse zum Beispiel manipuliertes Sojalecithin (E 322) nicht extra gekennzeichnet werden. Dies gilt zudem nur, wenn die gentechnische Veränderung durch eine anerkannte Analyse nachweisbar ist. Dazu müßte verändertes Erbgut oder Eiweiß in den veränderten Stoffen enthalten sein. Soja- oder Maisöl enthalten dieses nicht, müssen also nicht gekennzeichnet werden. Wieviele gentechnisch veränderter Lebensmittel sich zur Zeit bereits ohne Kennzeichnung in den Läden befinden, will Müller nicht beurteilen. „Wir analysieren zwar viele Rohstoffe auf genetische Veränderungen, aber selten die Endprodukte.“ Nach einer Analyse wisse das Institut nicht, ob der Hersteller die Rohstoffe verwende oder auf sie verzichte, wenn sie genetische Veränderungen enthalten. „Unmöglich“ findet eine Kundin die Verordnung. „Ich würde keine Lebensmittel kaufen, die verändert sind. Aber woher soll ich das wissen? Schließlich gilt die Übergangsfrist sechs Monate lang, und danach sind die Kennzeichnungen wahrscheinlich so kleingedruckt, daß sie keiner lesen kann. Ich hab schließlich meine Brille nicht immer dabei.“ In der Tat muß die Kennzeichnung nur als Hinweis in der Zutatenliste abgedruckt sein. Die Kriterien, um die umgekehrte Variante, den Zusatz „Ohne Gentechnik“, auf die Packung schreiben zu dürfen, sind „unerfüllbar“, so Müller. So solle vermieden werden, daß Hersteller damit werben können, keine genetisch veränderten Stoffe zu verwenden. „Bald werden fast alle Lebensmittel manipulierte Zusätze haben. Steht es erst überall drauf, werden sich die Verbraucher auch daran gewöhnen.“
Die Verbraucherzentrale Bremen rät deshalb: Wer ganz auf Gentechnik verzichten möchte, sollte am besten Lebensmittel aus ökologischem Anbau kaufen. „Ich bin als Verbraucherin für klare und eindeutige Kennzeichnungen“, sagt Lisbeth Mäder-Baier vom Naturkostladen Kraut und Rüben. Im Naturkostladen aber stelle sich das Problem gar nicht: Läden und Anbauverbände sind gegen den Einsatz von gentechnisch veränderten Zusätzen und garantieren, auf diese zu verzichten. Hier gebe es ehrliche Antworten darauf, wo die Lebensmittel herkämen und was sie enthielten, so Mäder-Baier. „Der Verbraucher, der wissen will, was er kauft, kann gar nicht anders, als im Naturkostladen einzukaufen.“
Dieser klaren Aussage will sich Michael Müller von der Hanse Analytik aber so nicht anschließen: „Es hat auch schon Fälle gegeben, in denen genmanipulierte Artikel in Naturkostläden aufgetaucht sind.“ Laut Mäder-Baier sind diese aber vom Markt genommen worden.
Karen Adamski
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