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Keiner glaubt mehr Analysten

von REINER METZGER

Die fallende Aktie der Deutschen Telekom schafft neue Gruppen innerhalb der geldinteressierten Öffentlichkeit. Während bei den einen das Ersparte im Extremfall von gut 100 Euro auf 16,90 Euro (so der gestrige neue Tiefststand) pro T-Aktie geschrumpft ist, feixen die Kritiker der Börsenbegeisterung, sie hätten ja immer gewusst, dass für den kleinen Mann beim Aktienhandel nicht viel herausspringen kann.

Nun wurden auf dem Papier seit den Kurshöchsständen im März 2000 in Europa und Nordamerika tatsächlich mehrere Billionen Mark „vernichtet“ – so viel sind die Aktien in Frankfurt, New York oder London seitdem im Wert gefallen. Doch wirklich Geld verliert nur, wer zu den niedrigen Kursen auch verkaufen muss. Der Rest kann wie bei früheren Börsenniedergängen abwarten, bis die Kurse wieder steigen. Für diese schlichte Wahrheit dürfte auch der Bundesfinanzminister dankbar sein. Gehören der Bundesregierung doch direkt und indirekt über die Kreditanstalt für Wiederaufbau noch 43 Prozent oder 1,8 Milliarden der etwa 4,2 Milliarden Aktien der Deutschen Telekom. Auf dem Papier hat der Bund also seit dem Höchststand etwa 157 Milliarden Euro verloren. Bundesfinanzminister Hans Eichel wird es in den nächsten Monaten also möglichst vermeiden, ein paar hundert Millionen T-Aktien zu verkaufen. Eventuelle Wahlgeschenke für den Bundestagswahlkampf 2002 müssen anders finanziert werden.

Dass die T-Aktie derzeit zu tief bewertet ist, darin sind sich die Analysten einig – „von den fundamentalen Daten längerfristig bei 35 Euro“, sieht etwa das Frankfurter Bankhaus Sal. Oppenheim die T-Aktie. Das Problem ist nur, dass auf diesen Berufszweig derzeit kaum ein Anleger hört. Zu viele falsche Voraussagen kamen in den letzten Monaten aus Analystenmund.

Außerdem wirkt ja noch der Verkaufscoup der Deutschen Bank nach: Sie hatte Anfang des Monats 44 Millionen T-Aktien des Telekom-Großaktionärs Hutchison Whampoa trotz aller Mühe nicht völlig an Aktienfonds und andere potenzielle Großanleger verkaufen können und den Rest dann unsensibel auf den Markt geworfen. Plötzlich wurde allen klar, was eigentlich längst bekannt war: Seit dem Kauf des US-Mobilfunkanbieters Voicestream per Aktientausch durch die Telekom halten einige Konkurrenten – Hutchison, die finnische Sonera und andere – zusammen über 20 Prozent der Telekom. Und sie alle haben kein langfristiges Interesse an ein paar Prozent der Anteile, weil damit kein wirkliches Mitspracherecht verbunden ist. Es handelt sich also um gebundenes Kapital – und das in einer Branche, die jede Mark für den Aufbau der kommenden Mobilfunknetze und zur Kundenwerbung braucht. Diese 20 Prozent der Telekom-Aktien würden also sicher auf den Markt kommen. Dabei gibt es vertraglich festgelegte Stichtage: 232 Millionen Aktien dürfen laut Angaben der Deutschen Telekom erst ab dem 1. September 2001 verkauft werden, 290 Millionen ab dem 1. Dezember. Hutchison hat einen Brocken verkauft, Sonera will bis Ende des Jahres seine restlichen 72 Millionen Stück verkaufen, so gestern ein Unternehmenssprecher zur Financial Times Deutschland. Der Rest der ehemaligen Voicestream-Aktionäre ließ durchblicken, dass er angesichts der derzeitigen Kurse die Anteile noch eine Weile halten will.

Die Deutsche Telekom will nun in die Offensive gehen. Sie präsentiert am 28. August ihre Halbjahreszahlen, die nach eigenen Angaben gut sein sollen. Der Umsatz steigt stark und liegt nun bei 22,6 Milliarden Euro im ersten halben Jahr 2001, so erste Vorauszahlen. Die Verluste halten sich mit 400 Millionen Euro in Grenzen – angesichts der hohen Abschreibungen durch UMTS-Mobilfunk-Lizenzen, Unternehmensaufkäufe und der gut 60 Milliarden Euro Schulden.

Danach gehen die Vorstände auf Welttournee, um Großanleger zu überzeugen, dass jetzt die Zeit für einen Kauf von Telekom-Aktien gekommen ist. Wenn der Kurs erst mal anzieht, sollen dann auch die annähernd drei Millionen Kleinaktionäre weltweit bei der Stange bleiben. Wenn nicht, könnte Anfang nächsten Jahres schon ein nächster Kursabschwung folgen: Ab dem 31. Dezember erhalten die Kleinaktionäre, die beim dritten Börsengang im Juni 2000 einstiegen, für je zehn Aktien eine Aktie als Treueprämie geschenkt. Danach können sie verkaufen, maximal 160 Millionen Stück. Bereits zweimal liefen jedoch solche Treuefristen für Kleinanleger aus, ohne dass es nenneswerte Verkäufe gab – allerdings bei wesentlich höheren Kursständen. Eine nicht unwesentliche Gruppe von Beteiligten braucht jedenfalls nicht allzu viel Angst haben: die Beschäftigten. Denn in der hart umkämpften Telekommunikationswelt wurde bereits rationalisiert auf Teufel komm raus. So schrumpfte die Belegschaft der Deutschen Telekom von etwa 230.000 im Jahr 1994 nach eigenen Angaben auf 170.000 im Durchschnitt des vergangenen Jahres. Unabhängig davon, ob der Aktienkurs gerade bei 20, 70 oder 100 Euro stand. Die Firma selbst sieht sich jedenfalls „gut aufgestellt“, so gestern ein Telekom-Sprecher. Der niedrige Aktienkurs wäre ein Problem, wenn die Deutsche Telekom in den nächsten Monaten Kredite aufnehmen müsste. Dann wäre ein Risikozuschlag fällig, die zu zahlenden Zinsen also höher. Für den Ausbau von Fest- und Mobilnetzen sind zwar jährlich Milliarden Mark nötig, aber: „Wir haben vor vier Wochen acht Milliarden Euro Kredit am Markt platziert“, so der Sprecher weiter. Die Telekom sieht sich also eher nicht auf der Seite der Verlierer.

Leonhard Kroll, Betriebswirtschaftler und im Vorstand des Würzburger Vereins für Aktionärsdemokratie, ist dennoch skeptisch: Seiner Meinung nach wurde „die Braut Telekom beim Börsengang etwas zu schön gemacht“. Die Aktien wären angepriesen worden „wie Damenslips oder Malteser Aquavit“. Da sei das gegenwärtige Kurstief eine Art „Nachholeffekt, der längst fällig war“.

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