Keine Schnellvisa für Spitzenpolitiker: Rote Karte für Kambodschas Premier
Berlin streicht Visaprivilegien für den zunehmend autoritär herrschenden Regierungschef des südostasiatischen Landes.
Kambodschas autoritär regierender Premierminister Hun Sen ist vergrätzt, nachdem Berlin ihm seine bisherigen Privilegien zur erleichterten Einreise nach Deutschland gestrichen hat. Die deutschen Behörden begründen diesen Schritt mit der zunehmend repressiven Politik der kambodschanischen Regierung gegenüber Opposition und Medien des südostasiatischen Landes.
Die Berliner Entscheidung hat zur Folge, dass der seit über drei Jahrzehnten herrschende Hun Sen künftig ein ganz normales Visum beantragen muss, um Deutschland besuchen zu können. Das gilt auch für seine Familie, alle Kabinettsmitglieder, ranghohe Militärs und den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes, wie das Auswärtige Amt am Donnerstag der taz bestätigte. Außerdem habe Berlin die Unterzeichnung eines „Memorandum of Understanding“ auf unbestimmte Zeit verschoben. Dieses sah regelmäßige Konsultationen beider Regierungen vor. Das Auswärtige Amt setze sich dafür ein, dass andere EU-Staaten vergleichbare Schritte ergreifen.
Der Kontext
Vor den für September geplanten Parlamentswahlen verschärft sich das politische Klima in dem 14-Millionen-Einwohner-Land derzeit immer mehr. Die oppositionelle Nationale Rettungspartei CNRP ist bereits verboten worden. Premier Hun Sen selbst drohte Oppositionellen nach einem Bericht der Phnom Penh Post am Donnerstag vor seinem geplanten Besuch in Australien: „Ich warne euch, Fotos von mir zu verbrennen. Wenn ihr mein Bild verbrennt, werde ich euch nach Hause verfolgen und schlagen.“
Die Reaktion
Berichte über die Abschaffung der Visaerleichterung hatte Innenminister Sar Kheng zunächst dementiert und von „Fake News“ gesprochen. Später bestätigte ein Sprecher der regierenden Kambodschanischen Volkspartei die Entscheidung Berlins und erklärte: Man werde so „Geld für teure Reisen sparen“. Er selbst werde „nicht nach Deutschland reisen, selbst wenn mich jemand dazu ermutigt“. Hun Sen sagte: „Warum sollte ich dahin fahren?“
Die Konsequenzen
Trotz der verschärften Repression gegen die Opposition erkennt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zugehörigkeit zur verbotenen CNRP nicht als Asylgrund an. Das zeigt ein Bescheid, den das Amt letzten Sommer an Kanha Chhun, eine in Erfurt wohnende führende Oppositionsaktivistin, versandte. Sie hatte öffentlich dagegen protestiert, dass Hun Sens Schwester Land ihrer Familie geraubt hatte. Ihrer Verhaftung konnte sie sich durch Flucht entziehen. Sie ist von Abschiebung bedroht.
Besonders pikant: Den Bescheid hatte der mittlerweile entlassene Asylentscheider Ho Ngoc T. geschrieben. Der vietnamesischstämmige Mitarbeiter war geschasst worden, weil er sich in Presseartikeln als Propagandist der Hanoier Regierung betätigte und nicht neutral gegenüber der Bundesrepublik auftrat. Vietnam und Kambodscha sind politisch verbunden. Das Bundesamt stellt sich in Schreiben an das zuständige Verwaltungsgericht hinter die Praxis seines Exmitarbeiters.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!