: Keine Männer im Erziehungsurlaub
■ Trotz neuer Gesetze: Nur 1,6 Prozent der Väter im Kinderjahr
Als gestern Familienministerin Christine Bergmann bei Kraft Foods für die neue Regelung zur „Elternzeit“ warb, blieb ein Platz auf dem Podium leer. Helmut Selker, Controlling Manager bei Kraft, musste sich um sein Kind kümmern und konnte an der Pressekonferenz nicht teilnehmen. Für zwei Jahre wird er nur zehn Stunden pro Woche arbeiten. „Sicherlich ist das der Karriere nicht förderlich, aber hinderlich ist es auch nicht. Außerdem bin ich schon 39 Jahre alt und muss mir beruflich nichts mehr beweisen“, sagte Selker später am Telefon. Weder Kollegen noch Vorgesetzte hätten negativ reagiert. Dennoch ist Helmut Selker ein Einzelfall. Von 800 MitarbeiterInnen bei Kraft Bremen ist er der einzige Mann, der nach der Geburt des Kindes Erziehungsurlaub beantragt hat.
Nebenan bei Beck's sind es von 1457 Beschäftigten gerade mal zwei. Insgesamt nehmen 1,6 Prozent der Väter die Elternzeit in Anspruch. Dabei liegt die Bereitschaft der Männer, sich stärker um den Nachwuchs zu kümmern, wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge bei ungefähr 20 Prozent.
Die Zurückhaltung der Väter soll durch die neue Elternzeitregelung aufgeweicht werden, die seit 1.1.2001 gilt. Danach können Väter und Mütter ab der Geburt des Kindes gleichzeitig Elternzeit nehmen. Dabei haben sie einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, der in Betrieben ab 15 Beschäftigten gilt. Sie können in den ersten drei Jahren nun jeweils bis zu 30 Stunden wöchentlich arbeiten. So kann der Anspruch auf die Position im Unternehmen leichter aufrecht erhalten werden.
Weil sich das neue Gesetz noch nicht zu den Vätern im Lande herumgesprochen zu haben scheint, tingelt Ministerin Bergmann unter dem Motto „Mehr Spielraum für Väter“ von Firma zu Firma.
Bei Kraft kam der Anstoß für flexible Teilzeitregelungen vor zwei Jahren von Frauen, die sich im Erziehungsurlaub befanden. In der Bremer Kraft-Filiale sitzen inzwischen 21,9 Prozent Frauen im gehobenen Management. Bei Kraft Foods America sind es sogar über 50 Prozent im Spitzenmanagement. Dass die Firmen sich bemühen, die Unvereinbarkeit von beruflichem Fortkommen und Fortpflanzung zu überwinden, ist mehr als eine politische Geste. „Dahinter steckt überhaupt kein Altruismus“, betont Bernhard Huber, Area Director bei Kraft Deutschland, „die ersten drei bis vier Jahre werden die Mitarbeiter intensiv geschult. Somit kosten sie in dieser Zeit mehr als sie einbringen.“ Man sei es leid, sagt Huber, die hoffnungsvollsten Nachwuchskräfte an die Familie zu verlieren, sobald sie produktiv werden. nk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen