: Keine Entschärfung
Der Koalitionsstreit um die Lieferung einer Munitionsfabrik in die Türkei geht weiter. In der bündnisgrünen Bundestagsfraktion sitzt der Unmut tief
BERLIN rtr/ap ■ In der rot-grünen Koalition gärt der Streit um den Beschluss der Bundesregierung, die Lieferung einer Munitionsfabrik an die Türkei zu genehmigen. Während Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) die Entscheidung verteidigte, wurde sie von prominenten Mitgliedern der Grünen-Fraktion verurteilt. Außenminister Joschka Fischer mahnte inzwischen vor übertriebener Aufregung in dieser Sache.
Der geheim tagende Bundessicherheitsrat (BSR) hatte den Export vor kurzem gebilligt. Daraufhin genehmigte das Bundesausfuhramt der Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH den Export. Die Firma ist Teil eines belgisch-französischen Konsortiums. Mit der Anlage will die Türkei ihre Gewehrmunition entsprechend den Nato-Vorgaben umstellen. Schon im Herbst 1999 hatte ein strittiges BSR-Votum die rot-grüne Koalition in eine Krise gestürzt. Joschka Fischer war damals mit seiner Ablehnung der Lieferung eines deutschen Testpanzers an die Türkei im BSR überstimmt worden. Die Regierung hatte daraufhin schärfere Exportrichtlinien beschlossen, die Genehmigungen unter anderem an die Menschenrechtslage im Empfängerland binden.
Wirtschaftsminister Müller sagte der Zeitung Rheinpfalz, mit der Entscheidung sei „mit Sicherheit nicht“ gegen die neuen Richtlinien verstoßen worden. Sonst hätte der BSR dem Export nicht zugestimmt. Grünen-Verteidigungsexpertin Beer nannte gegenüber der taz die Zustimmung einen eindeutigen Verstoß gegen die Exportrichtlinien. In der FR fügte sie hinzu, nachdem klar sei, dass keine deutschen Panzer an die Türkei geliefert werden dürften, müssten die gleichen Kriterien auch für Waffen und Munition gelten. Die Franktionschefin der Grünen, Kerstin Müller, sagte, die Grünen seien sich „einig, dass wir den Export der Munitionsanlage in die Türkei ablehnen“. Er sei politisch falsch. Sie hoffe, dass Fischer im BSR gegen die Genehmigung gestimmt habe. Müller betonte, sie bedauere, dass entgegen den Grünen-Wünschen das Parlament an den Exportentscheidungen nicht beteiligt wird. Dies beklagte auch der Abgeordnete Christian Simmert und sagte, er werde den Beschluss nicht mittragen.
Mit Blick auf die innerparteiliche Kritik betonte Joschka Fischer gestern, solche Entscheidungen hätten stets Kompromisscharakter und seien eine Frage der Abwägung. Er wollte wegen seiner Geheimhaltungspflicht als BSR-Mitglied inhaltlich zur Genehmigungsentscheidung nicht Stellung nehmen. Fischer riet er jedoch, ohne die Grünen namentlich zu nennen, davon ab, sich von solchen Fragen „jedes Mal gleich die Hühnerleiter hochtreiben zu lassen“.
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