piwik no script img

Kein neues Jagdgesetz in NiedersachsenRot-Grün verzichtet auf Ökologie

Niedersachsens Landesregierung wird kein neues Jagdgesetz verabschieden - aus Angst vor der Lobby. „Totschlagfallen“ bleiben so erlaubt.

Ob er mit Bleigeschossen wirklich humaner tötet? Jäger mit Hund im Sonnenuntergang Foto: dpa

Hannover taz | Mit Enttäuschung haben Umwelt und Naturschutzverbände auf Niedersachsens Verzicht auf ein neues Jagdgesetz reagiert. „Die rot-grüne Landesregierung verpasst eine Riesenchance“, sagt der Landesvorsitzende des Naturschutzbunds Nabu, Holger Buschmann, zur taz. „Erst im März haben sich bei einer Umfrage in Norddeutschland 84 Prozent für mehr Natur und Tierschutz im Jagdrecht ausgesprochen.“ Ein „zeitgemäßes Jagdgesetz“ sei in Niedersachsen „offenbar nicht umsetzbar“, klagt auch Georg Wilhelm, Waldexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Niedersachsens für die Jagd zuständiger Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) will bis zum Ende der Legislaturperiode trotzdem „keine grundlegende Novellierung“ mehr angehen. „Das alte Jagdgesetz hat sich bewährt“, sagte Meyer jetzt der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Er reagiert damit auf massiven Druck seitens der Landesjägerschaft: Mit Unterstützung von CDU und FDP hatten Niedersachsens organisierte Jäger schon auf die Verkürzung der Jagdzeiten für Bläss und Saatgänse mit einer Normenkontrollklage reagiert.

Wie groß die Mobilisierungsfähigkeit der Jagdlobby ist, dürften Meyer und sein SPD-Ministerpräsident Stephan Weil im Nachbarland Nordrhein-Westfalen genau beobachtet haben: Dort zogen 15.000 Jäger vor den Landtag in Düsseldorf und bliesen zum Halali auf das neue Jagdgesetz des dortigen grünen Umweltschutzministers Johannes Remmel. Mit Abstrichen verabschiedet wurde es trotzdem. Allerdings gilt die Jagd in Nordrhein-Westfalen als längst nicht so identitätsstiftend wie in Niedersachsen.

Remmel konnte deshalb umsetzen, was Meyer nicht darf: Zwischen Küste und Weser dürfen sogar solche Tiere abgeschossen werden, die auf der roten Liste für bedrohte Arten stehen - etwa Rebhühner, Baummarder oder Feldhasen. Auch der Einsatz sogenannter Totschlagfallen, die wie überdimensionierte Mausefallen aussehen, bleibt weiter legal. „Die sind eine ganz große Tierquälerei“, sagt der BUND-Experte Wilhelm: „Oft geraten Tiere nur mit einen Körperteil in die Falle und leiden tagelang.“ Erlaubt bleibt auch das Abschießen von streunenden Hauskatzen.

Längst nicht mehr auf der Tagesordnung ist dagegen die von Naturschützern geforderte generelle Begrenzung der Jagdsaison auf die Monate Oktober bis Dezember. „Aktuell gilt für jede Tierart eine andere Jagdzeit“, so Nabu-Chef Buschmann - „dabei kann oft gar nicht nachvollzogen werden, was für ein Tier der Jäger getötet hat.“ Skeptisch sehen Umweltschützer da auch Meyers Ankündigung, wenigstens den Einsatz nicht-bleihaltiger Munition zu fördern. „Das wollen wir erst sehen“, sagt Buschmann: „Die Ökologisierung der Jagd insgesamt steht auch im Koalitionsvertrag.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Die Natur- und Tierschützer Niedersachsens werden doch wohl in der Lage sein, der Landesregierung noch mehr Angst zu machen als die paar schießwütigen Grünröcke und Bauern.

    • @Rolf Mueller:

      Engagierte Natur - und Artenschützer wissen das intensive Fallenjagd in der Kulturlandschaft ein für den Artenschutz unverzichtbares Instrument ist.

      Hier ein Zitat aus der NZZ vom 01.06.2015

      Die umfangreichsten Untersuchungen gibt es aus den USA. Dort hat sich der Ökologe Scott Loss von der Oklahoma State University des Themas angenommen. Gemäss seinen Untersuchungen töten Hauskatzen 4 bis 18 Vögel pro Jahr und 11 bis 30 Säugetiere von der Spitzmaus bis zum Junghasen. Wenn Hauskatzen verwildern, steigt ihr Konsum. «Sie sind die ganze Zeit draussen und töten darum viel mehr Tiere», sagt Loss. Auf ihr Konto gehen pro Kopf und Jahr bis zu 46 Vögel und bis zu 330 Säugetiere

       

      Die Grünen in Niedersachsen können scheibar lesen, die in NRW offensichtlich nicht. Anders ist das dortige Jagdgesetz mit dem Verbot wildernde Katzen zu töten nicht zu erklären.

  • Herr Buschmann,

    wollen Sie bewußt provozieren? Oder haben Sie "nur keine Sachkenntnis"? Sie müssten doch die Haltung des NABU zur Fallenjagd kennen. Zum Nachlesen nicht nur für Sie: http://www.nabu/downloads/NABU-Status-Report-Birds-Waddensea.pdf

    Jäger und NABU arbeiten da bei der Fallenjagd erfolgreich zusammen.

    Sie sollten doch wissen, dass Deutschland das AIHTS Abkommen, welches die Wirksamkeit von Fallen regelt, ratifiziert hat. Bei Unkenntnis hätte ein Blick ins Jagdgesetz genügt. Jeder Jäger der Fallen einsetzen will muß einen staatlichen Fallenlehrgang absolvieren. Der Einsatz von Totschlagfallen ist der Jagdbehörde anzuzeigen. Alle Totschlagfallen müssen alle fünf Jahre überprüft werden. Totschlagfallen sind einmal täglich zu kontrollieren.

    Sie können natürlich auch Ihre Kenntnisse mit dem Artikel unter http://www.tierheim-duesseldorf.de/aktuelles/items/die-Wahrheit-über-die-fallenjagd.html

    auf den neuesten Stand bringen.

    Oder Sie setzen sich für das Verbot der Power cat Rattenfalle, die nicht nur Ratten, sondern auch Kindern, gefährlich werden kann, ein. Übrigens darf die jedermann einsetzen. Dabei hätten Sie meine Unterstützung.

  • So?

     

    Normalerweise werden bei einschänkenden rGutachter gehört und nicht Lobbystimmen abgezählt.

     

    Ist das beim Jagdgesetz nicht möglich? Oder kommt dann nur wieder so ein unfug heraus wie das "Bleischrotverbot"? Das eigentlich besser "Bleinatriumlegierungsverbot" bedeuten sollte? Oder geht nach wie vor "Sachkenntnis trübt das Urteilsvermögen!"?