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Kein Zug nach irgendwo

■ EU-Finanzminister lassen das Infrastrukturprogramm verhungern

Brüssel (taz) – Schon wieder eine Ohrfeige für Jacques Santer: Die 15 Finanzminister der Europäischen Union wollen keine zusätzlichen Mittel für das Beschäftigungspaket des EU-Kommissionspräsidenten herausrücken. Bei ihrem gestrigen Treffen in Luxemburg lehnten sie es ab, die von Santer geforderten rund zwei Milliarden Mark aus dem EU-Agrarhaushalt für die Transeuropäischen Netze (TEN) umzuschichten.

Die Transeuropäischen Netze waren bereits im Dezember 1994 auf dem Gipfel der Staatspräsidenten und Premierminister in Essen beschlossen worden. Dabei geht es vorwiegend um die Förderung grenzüberschreitender Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahnen wie zum Beispiel zwischen Köln und Brüssel, aber auch um umstrittene Projekte wie den Brennertunnel und den Ausbau von Flughäfen. Die Bundesregierung schaffte es, sogar den Transrapid auf die Liste der wichtigen Bauvorhaben zu setzen.

Die Idee der Transeuropäischen Netze geht auf das Weißbuch für Wachstum und Beschäftigung des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors zurück. Die TENs sollten einerseits die Infrastruktur verbessern und damit zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen und zum zweiten Tausende von Arbeitsplätzen schaffen. Nach Delors Vorstellungen sollten öffentliche und private Investoren insgesamt 800 Milliarden Mark investieren.

Die Regierungschefs der Mitgliedsländer haben die TENs zwar in Essen beschlossen, aber auf Betreiben des deutschen und des britischen Finanzministers seitdem enorme Anstrengungen unternommen, sie wieder zu zerreden. Im EU-Haushalt stellten sie für die Jahre 1995 bis 1999 gerade einmal 3,7 Milliarden Mark zur Verfügung. EU-Kommissionspräsident Santer hat nun mehrfach versucht, das schleppende Programm vor dem Tod zu bewahren. Dazu möchte er die zwei Milliarden haben, die letztes Jahr im Agrarhaushalt übriggeblieben sind. Er möchte Zeichen setzen, daß sich die EU auch um Beschäftigung kümmert, und hat dafür die Unterstützung des Europäischen Parlaments. Die Finanzminister aber lehnten das gestern mit Mehrheit ab: Sparkommissar Theo Waigel hatte Frankreich und Holland von ihrer urspünglichen Zustimmung abgebracht. Alois Berger

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