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Kein Wohngipfel, dafür Wohnraum-DemoObergrenze für Miete gefordert

Im Hamburger sowie im Bundestagswahlkampf verstehen die Parteien Wohnungspolitik primär als Bauprogramm. Ein Bündnis fordert stattdessen Mietgrenzen.

Bündnis fordert bundesweiten Mietendeckel: In Hamburg hat bestimmt noch wer einen Deckel aus dem Jahr 2020 in der Schublade Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Die Ham­bur­ge­r*in­nen haben sich wohl an die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt gewöhnt. So zumindest könnte man die Ergebnisse einer Umfrage von infratest dimap im Auftrag des NDR verstehen, nach der „Wohnen“ im Ranking der Themen, die die Ham­bur­ge­r*in­nen im Wahlkampf bewegen, an Wichtigkeit einbüßt. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Wohnfrage derzeit, wie vieles andere, von wirtschaftlicher Unsicherheit durch Inflation und Krieg überlagert wird.

Aktuell sehen nur noch 29 Prozent der Befragten Wohnungspolitik als drängendste Baustelle der Hamburger Lokalpolitik – vor fünf Jahren waren es noch 34 Prozent. Dabei hat sich die Lage für die Mie­te­r*in­nen seit der letzten Bürgerschaftswahl 2020 nicht spürbar verbessert, sondern eher weiter zugespitzt.

Ein Bündnis von Mietervereinen, Stadtteilinitiativen und linken Gruppen will das Thema Wohnen aber wieder auf die Agenda heben und erhöht nun den Druck auf die wahlkämpfenden Parteien. „Wir sehen jeden Tag, wie die Wohnungspolitik in Hamburg scheitert“, sagt Clara Behrens (Name geändert) von „Hamburg Enteignet“. Dabei werde Hamburg völlig zu Unrecht oft als Positivbeispiel der Wohnungspolitik angeführt.

Kein Wohngipfel, dafür Mieterprotest

Am 5. und 6. Dezember, also Donnerstag und Freitag, war in Hamburg eigentlich ein Wohnungsgipfel der Bundesregierung geplant. Mit dem Aus der Ampelkoalition platzte auch der Gipfel, er soll nun in Schmalspurvariante im Bundesbauministerium stattfinden. Doch der zivilgesellschaftliche Protest gegen den Gipfel soll trotzdem in Hamburg stattfinden. Das Bündnis „Offensiv für Wohnraum“ will am Donnerstag eine Großdemonstration mit anschließendem Podiumsgespräch in Hamburg veranstalten.

„Unter der Ampelkoalition ist mietenpolitisch überhaupt nichts passiert“, kritisiert Behrens. Doch auch in Hamburg seien die Mieten gestiegen. Sowohl in der nun zu Ende gehenden Hamburger Legislatur als auch in den Wahlprogrammen der Parteien werde hauptsächlich auf Neubau gesetzt, während die Bestandsmieten vernachlässigt würden.

Anstatt am Credo des ewigen Bauens festzuhalten, solle sich der zukünftige Senat lieber um eine Obergrenze für Neu- und Bestandsmieten kümmern, so Behrens. Die Mietpreisbremse erfülle diesen Zweck nicht, da sie nicht für den Neubau gilt und zudem voraussetzt, dass­ Mie­te­r*in­nen aktiv gegen ih­re*n Ver­mie­te­r*in vorgehen – was sie meistens aus Angst nicht tun.

Mieter vor Zwangsräumungen schützen

Stattdessen müssten Mie­te­r*in­nen durch verbesserten Kündigungsschutz vor zweifelhaften Eigenbedarfsforderungen und gegen Zwangsräumungen geschützt werden, fordert das Bündnis „Offensiv für Wohnraum“. Rund 50 Gruppen haben sich dem Aufruf angeschlossen, darunter der AStA, die Hamburger Linksfraktion sowie die Linke im Bundestag, außerdem „Hamburg Enteignet“, mehrere Mietervereine und die Interventionistische Linke.

Eine zentrale Forderung des Bündnisses, die sich an die Bundespolitik richtet, ist die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels. Ein entsprechendes Gesetz, nach dem Mie­te­r*in­nen ihre Miete sogar absenken konnten, wenn sie über dem zulässigen Betrag lag, galt in Berlin in den Jahren 2020 und 2021. Das Bundesverfassungsgericht entschied im April 2021 dann aber, dass eine entsprechende Regelung nur auf Bundesebene getroffen werden könne. Ein solches Gesetz will das Bündnis nun mit einer bundesweiten Kampagne vorantreiben.

Die letzten 30 Jahre haben gezeigt, dass der freie Wohnungsmarkt vor allem überhöhte Mieten generiert und die soziale Spaltung vertieft“

Marc Meyer, Mieter helfen Mietern

In Hamburg hat sich in der aktuellen Legislaturperiode unter Rot-Grün in Sachen Mieterschutz sehr wohl etwas getan – nur wirkt sich das derzeit noch nicht aus. Vor genau zwei Jahren einigte sich der rot-grüne Senat mit der Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ darauf, städtische Grundstücke nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch in Erbpacht zu vergeben. Das Verkaufsverbot und das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu angemessenen Bedingungen bereitzustellen, wurde sogar in die Landesverfassung aufgenommen.

Topfdeckel-Schlag-Demo

Unter dem Motto „Offensiv für Wohnraum“ ruft ein Bündnis für Donnerstag, 5. 12., bundesweit zu Protesten auf und fordert einen bundesweiten Mietendeckel. Kundgebung in Hamburg: 17 Uhr, Gänsemarkt, Demo startet dort um 18 Uhr

Erst im September dieses Jahres wurde der zweite Teil der Einigung umgesetzt, nach dem sich Hamburg verpflichtet, ab sofort jedes Jahr mindestens 1.000 Sozialwohnungen mit hundertjähriger Bindung zu bauen. Bisher ist die Sozialbindung immer nach 20 bis 30 Jahren ausgelaufen, was zur Folge hat, dass jedes Jahr mehr Sozialwohnungen verloren gehen als neue dazukommen. Die Zielvorgabe von 1.000 Sozialwohnungen mit hundertjähriger Bindung bezieht sich auf den Fünf-Jahres-Durchschnitt – eine Bilanz ist daher frühestens in zweieinhalb Jahren erkenntnisreich.

Akuter Mangel an bezahlbaren Wohnungen

„Die ‚ewig‘ gebundenen Sozialwohnungen sowie der gesicherte städtische Grundbesitz sind für folgende Generationen eine enorme Verbesserung“, sagt der Anwalt Marc Meyer von Mieter helfen Mietern, der die Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ mitinitiiert hat. Die Probleme des aktuellen Mietmarktes mit dem akuten Mangel an bezahlbaren Wohnungen werden dadurch aber leider nicht gelöst, sagt Meyer.

Um bezahlbaren Mietraum zu schaffen, wäre ein Mietendeckel durchaus sinnvoll – wie jede Maßnahme, die den Anstieg von Neu- und Bestandsmieten begrenze. „Die letzten 30 Jahre haben gezeigt, dass der freie Wohnungsmarkt vor allem überhöhte Mieten generiert und die soziale Spaltung vertieft“, sagt Meyer. Aufgabe der Politik sei es, Wohnungspolitik als Daseinsvorsorge zu verstehen und nicht den Profitinteressen der Ei­gen­tü­me­r*in­nen zu überlassen.

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