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Kein Schutz vor VerdrängungSenat unwillig beim Vorkauf

Am Dienstag läuft die Frist aus, dem Verkauf der Schönleinstraße 19 zuvorzukommen. Das Scheitern könnte das Ende des Vorkaufsrechts besiegeln.

Der Countdown ist leider abgelaufen. Den Be­woh­ne­r:in­nen der Schönleinstraße 19 droht nun die Verdrängung Foto: Stefan Boness / Ipon

Berlin taz | Schlechte Nachrichten für die Be­woh­ne­r:in­nen der Schönleinstraße 19: Der Vorkauf des sanierungsbedürftigen Mietshauses ist gescheitert. In der Fachausschusssitzung am Montag bestätigte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), die für den Ankauf notwendigen Mittel nicht freigeben zu wollen. Friedrichhain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte bis zuletzt darauf gehofft, bezirkliche Mittel aus der Städtebauförderung für einen Ankauf verwenden zu können. „Das ist rechtlich nicht zulässig“, sagte Gaebler im Ausschuss.

„Die Nichtkooperation des Senats ist bedauerlich“, kritisiert Schmidt die Absage. „Damit wird eine wichtige Chance vertan, Mieter vor Verdrängung zu schützen.“ Schmidts Plan sah vor, den Kaufpreis von 1,4 Millionen Euro durch im Bezirk für Städtebauförderung vorgehaltene Mittel finanzieren zu wollen. „Es wäre nicht so, dass wir andere Projekte dafür stoppen müssen“, so Schmidt.

Als Käuferin vorgesehen war die landeseigene Treuhänderin GSE. Die nötigen Sanierungen sollten nur in einem Minimalumfang durchgeführt werden. Dadurch hätten die Sanierungskosten nach 20 Jahren vollständig durch moderat erhöhte Mieten refinanziert werden können. Über die Mittel der Städtebauförderung verfügt der Bezirk, allerdings müssen sie vom Senat freigegeben werden.

Wie der Tagesspiegel bereits am Freitag berichtete, lehnt der Senat diese Option aus rechtlichen Gründen ab. Für den Antrag seien nicht alle erforderlichen Bedingungen erfüllt, begründet der Sprecher der Senatsverwaltung Martin Pallgen die Entscheidung. Eine Verwendung der Mittel sei nur dann zulässig, wenn der Verwendungszweck im städtebaulichen Entwicklungskonzept explizit aufgeführt sei.

Verkauf und Verdrängung

Für Schmidt ist die rechtliche Begründung nicht nachvollziehbar. Das bezirkliche Rechtsamt habe den Fall ausgiebig geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Verwendung der Mittel möglich sei.

Die Option, die Immobilie über ein landeseigenes Wohnungsbauunternehmen ankaufen zu lassen, schloss die Senatsverwaltung bereits im Dezember aus. Ohne Zuschüsse des Landes sei ein Ankauf unwirtschaftlich, hatten zuvor die Unternehmen geurteilt. „Die Mittel, die wir haben, sind sehr begrenzt oder nicht vorhanden“, verweist Gaebler auf die angespannte Haushaltslage. Am Dienstag läuft die Frist aus.

Bei der Immobilie handelt es sich um ein stark sanierungsbedürftiges Wohnhaus mit rund 20 Wohnungen. Die Be­woh­ne­r:in­nen zahlen Mieten, die teilweise deutlich unter 5 Euro pro Quadratmeter liegen. Dafür vernachlässigte die Eigentümerin das Gebäude stark, viele der notwendigen Reparaturen führte die Hausgemeinschaft selbst durch. Nun soll das Haus an einen Investor verkauft werden. Extreme Mietsteigerungen scheinen bei dem hohen Sanierungsaufwand unvermeidbar.

Seitdem das Bundesverwaltungsgericht Ende 2021 das kommunale Vorkaufsrecht für unwirksam erklärte, ist das politische Instrument nur noch in sehr wenigen Fällen anwendbar. Voraussetzung ist, dass das Haus in einem baulich schlechten Zustand ist.

Neue Bedingungen, altes Modell

Unter diesen Bedingungen ist eine Finanzierung landeseigener Wohnungsbauunternehmen, wie sie der Senat vor dem Urteil massenhaft durchführte, nur schwer möglich. Auch für Genossenschaften würde sich aufgrund der hohen Sanierungskosten ein Ankauf kaum rechnen, denn Förderung gäbe es nur für den Kaufpreis. In der Schönleinstraße 19 betragen die Kosten je nach Sanierungsniveau zwischen 1,7 und 2,6 Millionen Euro.

Der Senat habe verpasst, ein neues Modell zu entwickeln, kritisiert Schmidt, „Im Grunde ist das Vorkaufsrecht abgeschafft“.

Auch die grüne Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger warf dem Stadtenwicklungssenator in der Ausschusssitzung am Montag vor, sich hinter formalen Argumenten zu verstecken. Gaebler reagierte in ungewohnter Deutlichkeit: „Wir wollen kein Vorkaufsrecht, um vom Eigentümer vernachlässigte Schrottimmobilien zu kaufen, um diese teuer von öffentlichen Mitteln sanieren zu lassen.“

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1 Kommentar

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  • "Der Senat habe verpasst, ein neues Modell zu entwickeln, kritisiert Schmidt"

    Herr Schmidt verkennt, dass die Zuständigkeit für das Vorkausfsrecht bei den Bezirken liegt. Sie müssten Konzepte entwickeln.

    Und das das Rechtsamt in Kreuzberg regelmäßig daneben liegt, sieht man ja an den Urteilen (Vorkaufsrecht, Görli, usw.)