Kein Rauswurf wegen Energiekosten: Schutz für 360.000 Wohnungen

Der Senat beschließt ein Kündigungsmoratorium für landeseigene Wohnungsgesellschaften. Giffey drängt auch private Vermieter zu einer solchen Zusage.

Das Bild zeigt die Fassade eines mindestens sechsgeschossigen Häuserblocks mit Balkonen.

Mieter von landeseigenen Wohnungen sollen diese nicht wegen Energiekostenschulden verlieren Foto: Schoening/imago

BERLIN taz | Niemand in Berlin soll seine Wohnung wegen unbezahlbarer Energiekosten verlieren: Was der rot-grün-rote Senat am Dienstag für die 360.000 landeseigenen Wohnungen beschlossen hat, soll auch für Wohnungen privater Vermieter gelten. „Jetzt könnt ihr zeigen, dass ihr es mit dem Bündnis ernst meint“, sagte Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) in Richtung jener Unternehmen, die im Juni mit dem Senat ein „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ unterzeichnet haben.

Der in der Senatssitzung festgelegte und vorerst sechsmonatige Schutz vor Wohnungsverlust ist nach dem 29-Euro-Ticket für Bus und Bahn der zweite große Punkt des vor einer Woche beschlossenen Berliner Entlastungspakets, für das bis zu 1,5 Milliarden Euro bereitstehen sollen. Nach einer groben Rechnung von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung könnte das Kündigungsmoratorium 120 Millionen davon beanspruchen. Dabei ging Geisel überschlägig davon aus, dass es in jeder zehnten der 360.000 landeseigenen Wohnungen Probleme geben könnte.

Die Energiekosten sollen dabei vorerst gestundet, nicht abgegolten sein und nach Möglichkeit später in Raten abgezahlt werden. Der Senatsbeschluss gilt für die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften Degewo, Gesobau, Gesobag, Howoge, Stadt und Land, WBM sowie die offiziell als „Immobiliendienstleister“ firmierende Berlinovo.

Giffey und Geisel nahmen bei ihrem Appell an private Vermieter vor allem den Konzern Vonovia in den Blick. Der übernahm 2021 die in Berlin dominierende Deutsche Wohnen und gehört ebenfalls dem von Giffey initiierten Bündnis an. Vonovia hat laut einem kurz vor der Pressekonferenz veröffentlichten Spiegel-Artikel Kündigungen nicht völlig ausgeschlossen. „Das mag bundesweit so sein“, sagte Senator Geisel, „aber für Berlin führen wir noch Gespräche.“ Er gab sich hoffnungsvoll, „denn es ist ohne Risiko für private Vermieter“. Die würden nach seiner Darstellung nicht auf den gestundeten Kosten sitzen bleiben, denn dafür gebe es den Härtefallfonds des Landes.

Die Regierungschefin erwartet von der Verhandlung des Landesverfassungsgerichts am Mittwoch einen klaren Fahrplan für eine mögliche Wahlwiederholung. „Ich fände es gut für die zeitliche Planbarkeit“, sagte Franziska Giffey (SPD) am Dienstag. Sie ließ offen, ob der Senat gegen eine komplette Wahlwiederholung vor dem Bundesverfassungsgericht vorgehen würde, falls das Berliner Gericht so entscheidet: „Über weitere Schritte zu reden, ist jetzt nicht der Zeitpunkt.“

Der Verfassungsgerichtshof verhandelt über Einsprüche gegen die Pannenwahl vom 26. September 2021. Wegen der vielen Betroffenen zieht das Gericht dazu erstmals um: in den rund 600 Plätze fassenden Hörsaal B.001 der Freien Universität in Dahlem. (sta)

All das könnte man sich aus Sicht von Regierungschefin Giffey sparen, wenn sich Bund und Länder auf einen Energiedeckel einigen könnten. Bei dem müssten die Verbraucher der Grundidee nach bloß den Durchschnittspreis des vergangenen Jahres zahlen – alles darüber hinaus übernähme der Staat. „Unser großes Anliegen ist, dass all diese Rechnungen (mit höheren Energiekosten, d. Red.) gar nicht erst verschickt werden“, sagte Giffey.

Darauf will sie am Mittwoch dringen, wenn sich die 16 Ministerpräsidenten zur Energiekrise beraten. Wegen seiner Corona-Erkrankung ist Bundeskanzler Olaf Scholz nicht dabei – mit ihm wollen die Länderspitzen ihre Vorstellungen am Dienstag diskutieren. Einen Alleingang wie beim 29-Euro-Ticket zu machen und einen Energiedeckel nur für Berlin einzuführen, ist für Giffey aus Landeskasse nicht bezahlbar: „Das sprengt unseren finanziellen Rahmen.“

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