Kein Opel-Verkauf an Magna: Weiterleben mit "den Amis"
General Motors verkauft Opel nun doch nicht. Der Betriebsratschef spricht von einem "schwarzen Tag" und erklärt Zusagen für obsolet. Kampfstimmung gibt es aber nicht.
RÜSSELSHEIM taz | Nein, am Stammsitz von Opel in Rüsselsheim brennen am Tag nach der Entscheidung, die europäischen Autobauer Opel und Vauxhall im Konzernverbund von GM zu belassen und nicht an den kanadisch-österreichischen Autoteilehersteller und Karosserieschrauber Magna zu verkaufen, keine amerikanischen Fahnen. Und am Bronzedenkmal für Firmengründer Adam Opel vor dem historischen Werkstor in der City versammeln sich keine Menschenmassen zum spontanen Protest.
Allein der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz, der auch dem Europäischen Arbeitnehmerforum von GM vorsteht, spricht schon in der Früh von einem "schwarzen Tag" für Opel und kündigt für diesen Donnerstag an deutschen, aber auch an anderen Standorten in Europa Warnstreiks an - einigermaßen überraschend, wenn man bedenkt, dass die belgischen oder spanischen Opelaner von dem Magna-Deal nicht gerade begeistert waren. GM werde, so Franz weiter, jetzt versuchen, die Beschäftigten und auch die Regierungen in Europa zu "erpressen".
Es geht um Geld oder (Über-) Leben. Ohne Unterstützung in Milliardenhöhe, die Magna und New Opel zugesagt wurden, seien die Standorte in Bochum, Kaiserslautern und im belgischen Antwerpen nämlich wieder in ihrer Existenz gefährdet, glaubt Franz zu wissen. Die Gefährdung sei sogar "akut", falls GM bis zum 30. November dieses Jahres den Kredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zurückzahlen müsse, den die Bundesregierung Opel im Rahmen einer Brückenfinanzierung gewährt hatte. Und danach sieht es derzeit aus.
Allerdings wollte auch Magna - wo man am Mittwoch über das Platzen der Opel-Übernahme fast schon erleichtert schien - bei Opel und Vauxhall mehr als 11.000 Stellen streichen. Und selbst die Schließung ganzer Werke konnte das Unternehmen nicht wirklich ausschließen. Denn die geplante Abmachung "Staatsknete gegen Standortgarantien" verstößt gegen die Bestimmungen der Europäischen Union.
Den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) ärgert das. "Was ist das denn für eine Wettbewerbspolitik, die in Europa staatliche Absicherung ablehnt, während GM in den USA ernorme Staatshilfe erhält?", schimpfte er am Mittwochvormittag in Mainz. Die Entscheidung von GM nannte Beck "eine Zumutung". Auch Betriebsrat Franz geht auf Konfrontationskurs. Ungeachtet der finanziellen Probleme der russischen Unternehmen Sberbank und GAZ, die Magna als Kapitalgeber hinzugezogen hatte, hatte sich Franz vollkommen auf Magna verlassen. Nun fordert er, offenbar ganz ohne Absprache mit seinen Betriebsratskollegen, GM Europe dazu auf, umgehend die tarifvertraglich vereinbarten Lohnerhöhungen nachzuzahlen, auf die die Beschäftigten in Erwartung von New Opel seit Juni verzichtet haben. Zudem sei das gerade erst mit Magna ausgehandelte Vertragswerk zu der avisierten Arbeitnehmerbeteiligungsgesellschaft - 10 Prozent sollten die Beschäftigten an New Opel halten - jetzt obsolet, so Franz weiter. Auch die IG Metall erklärte alle Zusagen in den Vereinbarungen der Arbeitnehmerseite mit Magna umgehend für "gegenstandslos".
Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel intervenierte umgehend: "Wir werden auch weiterhin nicht davor weglaufen können, uns zu beteiligen", sagte er. Auch in Rüsselsheim wird vor einer Dramatisierung der Verhältnisse gewarnt. Man müsse nun mit "den Amis" weiterleben, sagt ein Ingenieur aus dem Technischen Entwicklungszentrum, das GM längst auch zur Konzipierung neuer Produktreihen für den gesamten Konzernverbund nutzt. Allerdings weiß auch am wohl gesichertsten Standort von Opel in Europa niemand, was GM nun vorhat. Die Opel GmbH stellte dazu am Mittwoch lapidar fest, dass Opel jetzt halt weiterhin "als strategischer Unternehmensteil von GM angesehen" werde. Und dass man sich sicher sei, dass alle Beteiligten auch in Detroit ab sofort hart daran arbeiten würden, "eine erfolgreiche Zukunft für Opel sicherzustellen". Immerhin.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers