Kommentar: Kein Meilenstein
■ Frauenförderung ohne Biss
Als „Meilenstein“ bezeichnete Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) gestern die neue Verordnung zur Frauenförderung. Wenn man berücksichtigt, dass die Große Koalition zehn Jahre gebraucht hat, um sie zu beschließen, mag der Begriff noch gerechtfertigt erscheinen. Zumal die Neuerung gegen den hartnäckigen Widerstand des Koalitionspartners CDU durchgesetzt werden musste.
Mit der Verordnung, die die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Frauenförderung knüpft, kann Paragraph 13 des Landesgleichstellungsgesetzes nun angewendet werden – zehn Jahre, nachdem es von der rot-grünen Regierung 1989/90 verabschiedet wurde.
Ein Meilenstein ist die Verordnung allerdings nicht, vielmehr ein kleiner Schritt nach vorne. Sie krankt vor allem an der mangelnden Verbindlichkeit. Aus einem Katalog von 18 Punkten können die Unternehmen je nach Größe zwischen ein und drei Maßnahmen auswählen, zu deren Einhaltung sie sich verpflichten. Damit können sie sich die Punkte rauspicken, die am wenigsten Aufwand bedeuten: mehr Plätze für Praktikantinnen zur Verfügung zu stellen ist die „billigste“ Variante, die Frauenförderung einzuhalten. Warum sollte ein Betrieb auch einen Frauenförderplan aufstellen, wenn der Zugang zu öffentlichen Aufträgen schon mit weniger zu haben ist, beispielsweise mit dem Angebot von Teilzeitarbeit.
Kein Wunder, dass Schöttler die Verordnung als „sehr praktikabel“ bezeichnet. Den Unternehmen verlangt sie kaum etwas ab. So bleibt Frauenförderung ohne Biss. Die Verordnung greift grundsätzlich zu kurz: Viele Maßnahmen zielen auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab. In Schöttlers Verordnung wird dies einzig und allein als ein Problem der Frauen wahrgenommen. Von der Verantwortung der Männer für den Nachwuchs ist keine Rede. Gleichstellungspolitik, die diesen Namen verdient, müsste auch Männern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Warum sollte der betriebliche Erziehungsurlaub oder die individuelle Arbeitszeit nur für Frauen gelten? Dann müsste dieser Teil der Frauenförderung korrekterweise Familienförderung heißen. Dorothee Winden
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