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Kein Google Campus in Berlin-KreuzbergGoogle gibt klein bei

Google gibt den Protesten im Kiez nach und verzichtet auf seinen Startup-Campus. Stattdessen sollen Sozialunternehmen dort einziehen.

Besetzung des Google Campus in Kreuzberg Foto: imago/Christian Ditsch

Berlin taz | Es ist eine Kapitulation. Google hat seine Pläne aufgegeben, im Kreuzberger Umspannwerk am Paul-Lincke-Ufer einen Startup-Campus einzurichten. Seit langem hatten sich große Teile des Kiezes gegen diese Landnahme gewehrt, zuletzt Anfang September, als stadtpolitische AktivistInnen das im Umbau befindliche Gebäude besetzten.

Die Mitteilung, die Google zusammen mit den Nachnutzern am Mittwoch veröffentlichte, klingt freilich nicht nach einer Niederlage. Googles Konzernsprecher für Startups, Rowan Barnett, sagt dort: „Ziel unseres Engagements in Kreuzberg war es von Anfang an ein Angebot zu schaffen, das der Gemeinschaft zugute kommt und diesem vielfältigen Kiez gerecht wird.“ Eine Kapitulation im Nebel von Marketingsalven.

Statt einer Schmiede für Startups soll das Umspannwerk nun zu einem „Haus für soziales Engagement“ werden. Die Spendenplattform Betterplace und die Sozialgenossenschaft Karuna werden gemeinsam die Organisation des Gebäudes übernehmen und zum Teil selbst in dem Haus arbeiten. Betterplace etwa will eine „Vernetzungsstelle gegen Hatespeech“, Karuna die Redaktion der Straßenzeitung Karuna Kompass, Nachfolgerin des Strassenfegers, dort unterbringen.

Mit der Übergabe des Hauses verpflichtet sich Google die Kosten für Umbau, Ausstattung, Miete und Nebenkosten für fünf Jahre zu tragen. Google-Sprecher Ralf Bremer sagte im Gespräch mit der taz, Google habe gelernt, dass Kreuzberg „nicht der richtige Ort für reinen Startup-Campus“ sei. Bei unzähligen Gesprächen sei der „riesige Bedarf an Flächen für Nonprofit-Organisationen“ deutlich geworden, sowie die „Sorge, dass sich die Umgebung noch schneller verändern und Mieten noch schneller steigen könnten“.

Google bleibt Mieter der Flächen, gibt die Kontrolle aber gänzlich ab. Bremer sagte: „Wir glauben, dass hier etwas entsteht, das über die fünf Jahre Bestand haben wird.“ Es gäbe keine Pläne danach wieder einzusteigen. Eine Umsetzung des Campus-Konzepts anderswo in der Stadt sei nicht geplant.

Proteste mit Wirkung

„Das es in eine so konsequente Richtung geht, ist für uns ein großes Geschenk“, sagt Betterplace-Sprecherin Carolin Silbernagl im Gespräch mit der taz. Sowohl die „sichtbaren Proteste“ als auch die Verzögerungen beim Umbau – ursprünglich sollte der Google Campus im September seine Türen öffnen – hätten die Gespräche mit Google ermöglicht.

Der Konzern sei auf sie zugekommen und habe nach den „Bedarfen im Kiez gefragt“, so Silbernagl. „Wir haben ihnen die Kritik an einem reinen Startup Hub mitgegeben“, so die Sprecherin des ehemaligen Startups, das 2007 ans Netz gegangen ist und seinen Hauptsitz in der Schlesischen Straße hat. Über die zuletzt verhärteten Fronten im Kiez sagt Silbernagl: „Ich hoffe, dass wir mit dieser Übergabe einen Neustart haben in der Auseinandersetzung um das Gebäude.“

Seit Google 2016 seine Pläne angekündigt hatte, in Kreuzberg den weltweit siebten Campus zu eröffnen, schlug ihnen aus der Nachbarschaft Protest entgegen. Mindestens vier Anti-Google-Initiativen waren zuletzt aktiv.

Kritisiert wurde Googles Rolle als Überwachungsmaschinerie, vor allem aber die vermuteten Folgen: Die weiter beschleunigte Aufwertung des Kiezes durch die Ansiedlung immer neuer Startups und der damit verbundene Zuzug von Gutverdienern. In unzähligen Aktionen, Demos und Veranstaltungen wurde Googles Versuch, sich als „guter Nachbar“ zu präsentieren, widersprochen.

Politik ist uneins

Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sagte in einer Mitteilung, Google sei „auf die Forderungen von Politik und Nachbarschaft eingegangen“. Er „begrüße diesen Schritt und hoffe, dass andere große und mittlere Unternehmen diesem Beispiel folgen“. Der Fraktionschef der FDP im Abgeordnetenhaus sagte: „Die Umwandlung des geplanten Google-Campus in Kreuzberg in eine Begegnungsstätte ist nicht mehr als schöngeredete Resignation.“ Er nannte den Schritt eine „fatale Botschaft an alle zukünftigen Unternehmen und Investoren“.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die den Google Campus einst als „willkommene Initiative, die zur blühenden Startup-Szene der Stadt passt“, bezeichnet hatte, sprach nun von „interessanten Plänen“ und der „zunehmenden Bedeutung von sozial und ökologisch orientierten Unternehmen“.

Die neuen Nutzer wollen nun mit der Nachbarschaft ins Gespräch kommen. Dafür soll der Baucontainer gegenüber des Eingangs am Landwehrkanal demnächst zwei mal wöchentlich geöffnet werden. Silbernagel will das Haus, besonders die großzügigen Kellerräumlichkeiten für „soziale Unternehmen, politische und Nachbarschaftsinitiativen“ zur Verfügung stellen. Diese sollen für geringe Gebühren Konferenzräume oder auch ein Tonstudio anmieten können. Sie spricht von einer „Infrastruktur, die sonst nur Unternehmen zur Verfügung steht“. Das Ziel ist die Eröffnung im April.

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7 Kommentare

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  • Typisch Berlin. Da klopft die Zukunft an die Tür, aber man will lieber den alten Mief.

    • @Sven :

      DAAANKE an die Initiativen zur Verhinderung, gut gemacht!!! Wir lieben Kreuzberg ohne Google. Denn Googles Turbokapitalismus dient eben nicht den Einzelnen und ist auch nicht mehr zeitgemäß.

  • Ja klar liebe Kommenta-Toren, so ein Google-Campus ist ja auch echt alternativlos für den Broterwerb der Kreuzberger - so wie ohne Kohle auch in ganz NRW nirgends je mehr ein Arbeitsplatz aus dem Volksboden sprießen wird..

    Ironie off und ganz aufrichtigen Riesendank an alle Initiativen, die diesen Ausverkauf ausgerechnet Kreuzbergs wenigstens vorerst verhindert haben!

    • @Jo Hannes:

      Ausgehend vom Foto waren die Argumente der Gegner wirklich vollkommen ideologiefrei! Und was für ein wunderbares Sammelsurium von Alternativen. Wenn denen die Luft ausgegangen ist, wäre der Campus wohl immer noch da. Was bringen die gleich wieder außer weitere Defizite?

      Offenkundig ist am Kiez noch nicht durchgedrungen, dass wirtschaftliche positive wirtschaftliche Entwicklungen auch ganz konkret am Ende dem Einzelnen dienen.

      Gentrifizierung ist im übrigen völlig normal gibt es überall und ständig!

  • Super: Berlin will arm bleiben und glaubt wohl, dadurch, 'sexy' zu werden. Das erinnert mich an eine dämliche Aktion, in welcher militante Kiezbewohner dafür sorgen, dass ihr Kiez hässlich bleibt, damit er nicht gentrifiziert wird.

  • Bravo, die Initiativen haben gesiegt. Google ist nur eine (miese) Suchmaschine.

  • Dumm, dümmer, Berlin! Offenkundig hat man es ja richtig dicke an der Spree, wenn man solche Entwicklungschancen ausschlagen kann.

    Hoffentlich wird diese Wirtschaftspolitik bei der Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs entsprechend berücksichtigt!