Kein Ausschlussverfahren: In der SPD ist doch Platz für Sarrazin
Mit dem Versprechen, in Zukunft sozialdemokratische Grundsätze zu achten, entgeht der Exbundesbanker einem Rauswurf. Der Parteispitze ist das recht.
BERLIN taz | Thilo Sarrazin bleibt Mitglied der SPD. Zum zweiten Mal nach 2010 ist es dem integrationskritischen Exbundesbanker gelungen, ein Parteiordnungsverfahren unbeschadet zu überstehen. Sarrazin versprach am Donnerstagabend vor der zuständigen Schiedskommission in Berlin-Charlottenburg, sich in Zukunft an die Grundsätze der Partei zu halten.
Insgesamt vier Antragsteller - darunter die Bundes-SPD und der Berliner Landesverband - hatten einen Ausschluss beantragt, weil Sarrazins Äußerungen zur genetischen Vererbung von Intelligenz und zur Integrationspolitik parteischädigend seien.
Nach fünf Stunden Debatte und einer persönlichen Erklärung Sarrazins wurden sämtliche Anträge zurückgezogen. "Wir haben uns darauf verständigt, uns als SPD nicht auseinanderdividieren zu lassen, auch nicht durch Interpretationen von außen", sagte die Kommissionvorsitzende Sybille Uken im Anschluss an die Sitzung.
Die Wende im Parteiordnungsverfahren kam überraschend. Eigentlich schien klar, dass in der SPD kein Platz mehr für Sarrazin sein würde. Dessen Thesen stünden "sozialdemokratischen Überzeugungen diametral entgegen", erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel, als der Parteivorstand im August 2010 das Parteiordnungsverfahren einleitete. Offensichtlich überwog in der SPD-Spitze nun aber die Angst vor einem sich über Monate hinziehenden Verfahren, in dem Sarrazin sich durch die Parteiinstanzen klagen könnte. Sarrazins Erklärung, in der dieser gelobte, sozialdemokratische Grundsätze nicht mehr infrage zu stellen, bot deshalb die willkommene Gelegenheit, das Verfahren abzukürzen.
SPD-Mann Edathy: Erklärung grenzt an "Selbstverleugnung"
Darin bezog sich Sarrazin vor allem auf sein umstrittenes Buch "Deutschland schafft sich ab". Er habe darin "nicht die Auffassung vertreten oder zum Ausdruck bringen wollen, dass sozialdarwinistische Theorien in die politische Praxis umgesetzt werden" sollten, so Sarrazin. Zudem liege es ihm fern, "Gruppen, insbesondere Migranten, zu diskriminieren". Und Sarrazin gab ein Versprechen: "Bei künftigen Veranstaltungen und Auftritten in der Öffentlichkeit werde ich darauf achten, durch Diskussionsbeiträge nicht mein Bekenntnis zu den sozialdemokratischen Grundsätzen infrage zu stellen oder stellen zu lassen."
Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy zeigte sich überrascht von Sarrazins Erklärung. Diese komme "einer Selbstverleugnung gleich", sagte er der taz. Edathy kündigte an: "Das ist jetzt die Messlatte. Wenn er die noch einmal reißt, dann ist Feierabend." Sarrazin müsse wissen, dass er "ganz scharf an der roten Linie vorbeigeschrammt" sei. "Das war der letzte Warnschuss", so Edathy. Er halte es jedoch für eine "spannende Frage", ob Sarrazin sich an seinen selbst verordneten Maulkorb halten werde.
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