Berliner SPD nach Sarrazin-Beschluss: Landesvorstand muss sich erklären

Nach dem überraschenden Rückzieher der Sozialdemokraten, Thilo Sarrazin doch nicht auszuschließen, rumort es in der Berliner SPD. Viele in der Partei können die Kehrtwende nicht nachvollziehen.

Lief gut für ihn: Thilo Sarrazin. Bild: dpa

BERLIN dpa | In der Berliner SPD wächst die Empörung über die überraschende Entscheidung, Thilo Sarrazin trotz seiner umstrittenen Thesen zur Ausländerintegration nicht aus der Partei zu werfen. Der Landesvorstand wird daher an diesem Dienstag zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um die Kehrtwende der SPD-Führung zu erläutern.

Viele Mitglieder hatten ihr Unverständnis darüber geäußert. Auch außerhalb der Partei wurde scharfe Kritik laut. Die Türkische Gemeinde in Deutschland warf der SPD-Führung ein "Einknicken vor populistischen und rassistischen Sichtweisen" vor. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hielt der SPD taktisches Vorgehen vor.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, äußerte sich dagegen erleichtert über das schnelle Ende des Schiedsgerichtsverfahrens. "Ich bin froh, dass der SPD ein jahrelanges Verfahren durch alle Instanzen erspart bleibt", sagte er der Bild. Das Verfahren sei dennoch gerechtfertigt gewesen. Eine Partei habe Grundsätze und Werte. "Wenn die SPD nicht reagiert hätte, hätte mich das tief beunruhigt."

Nach einer schriftlichen Erklärung von Sarrazin bei einer Sitzung der Parteischiedskommission hatten am Donnerstagabend überraschend die vier Antragsteller ihre Anträge zum Ausschluss des Ex-Bundesbankers und Berliner Finanzsenators zurückgezogen. Darunter waren auch die Bundes- und die Berliner Landespartei gewesen. Sarrazin versicherte in seiner Erklärung, er habe weder Migranten diskriminieren noch sozialdemokratische Grundsätze verletzen wollen.

Unverständnis bei Türkischer Gemeinde

In Sarrazins Berliner Heimatverband wächst die Kritik. So sprachen die Berliner Jusos schon kurz nach der Entscheidung von einem "Ausverkauf sozialdemokratischer Grundwerte". Deshalb sollen in der Sondersitzung des Vorstands offene Fragen beantwortet werden. Es sei sicherlich auch eine große Überraschung für all jene, die den Ausschlussantrag unterstützt oder wie der Landesvorstand beschlossen hätten, heißt es in der Einladung. Es habe aber Gründe für diese Entscheidung gegeben.

Die Türkische Gemeinde nannte es unverständlich, dass die SPD-Führung die Erklärung Sarrazins für ausreichend halte, um ihre Ausschlussanträge zurückzuziehen. "Die tendenziell rassistischen Äußerungen des Herrn Sarrazin sind durch die Rücknahme der Ausschlussanträge legitimiert worden", erklärte der Geschäftsführende Bundesvorstand der Türkischen Gemeinde am Samstag in Berlin.

CDU-Generalsekretär Gröhe wertete die Entscheidung als taktisches Manöver der SPD vor der Berlin-Wahl am 18. September. "Erst verdammt die SPD-Spitze Herrn Sarrazin öffentlich mit lautem Gabriel-Getöse, nun rudert sie - mit ängstlichem Blick auf die Wahlen in Berlin - hilflos zurück", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag).

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