Kehrtwende in der Verkehrspolitik: Österreichs neue Regierung will den Lobautunnel nun doch
2021 hatten Klimaaktivisten den Bau noch verhindert. Nun rollen wieder die Bagger für einen Autobahntunnel unter dem Nationalpark Lobau bei Wien.
Es war einer der größten Erfolge der österreichischen Klimabewegung: der Stopp des umstrittenen Lobau-Tunnels. Dieser sollte Teil des Wiener Autobahnrings (S1) werden und unter dem Nationalpark Donau-Auen verlaufen. Mehrere Monate hatte die österreichische Klimabewegung dagegen demonstriert, dann sprach die grüne Ministerin Leonore Gewessler ein Machtwort und ließ die Autobahn aus den Planungen streichen, sehr zum Missfallen des Regierungspartners ÖVP.
Seit kurzem ist bekannt: Der Tunnel und die Autobahn kommen nun doch. Nach jahrelangem politischem Tauziehen hat Gewesslers Nachfolger, SPÖ-Verkehrsminister Peter Hanke, grünes Licht für den Bau gegeben. Möglich macht das die aktuelle Regierung aus Konservativen, Sozialdemokraten und den liberalen Neos, die dafür sogar vom sonst alles dominierenden Sparzwang abweicht. Mehrere Verfahren sind noch anhängig, der Baustart dürfte frühestens 2030 erfolgen. Die Kosten werden auf 2,2 Milliarden Euro geschätzt.
Die Entscheidung spaltet die österreichische Politik tief. Während SPÖ, ÖVP und FPÖ den Tunnel befürworten, lehnen ihn die Grünen und zahlreiche Umweltschutzorganisationen vehement ab. Die Neos, in Wien Koalitionspartner der SPÖ, zeigten sich reserviert.
Eine im Februar 2025 veröffentlichte Prüfung des Umweltbundesamts hatte die Streichung des Projekts aus dem Bundesstraßengesetz empfohlen. Verkehrsminister Hanke kritisierte diesen Bericht jedoch an verschiedenen Stellen.
Rückwärtsgewandte Verkehrspolitik
Bevor er in den Bund wechselte, war Hanke in der Wiener Stadtregierung. Diese hielt trotz des abgesagten Tunnels am Bau eines Zubringers in Wien fest – euphemistisch „Stadtstraße“ genannt. Auch gegen sie richtete sich das Protestcamp, das Klimaaktivist:innen 2021 auf der geplanten Trasse errichtet hatten. Die Stadt investierte viel Geld in ihre Stadtstraßen-Kampagne und drohte den protestierenden Jugendlichen mit rechtlichen Schritten. Am Ende wurde das Klimacamp polizeilich geräumt, es kamen die Bagger.
Ex-Ministerin Leonore Gewessler
Nun soll auch die dazugehörige Autobahn für die mittlerweile weit gediehenen Zubringer kommen. Die Grünen, mittlerweile weder in Bundes- noch Wiener Stadtregierung, beriefen vergangene Woche eine Sondersitzung des Nationalrats ein, um den Verkehrsminister mit Fragen und Kritik zu konfrontieren. Die neuen Straßen würden „unsere Verkehrspolitik wieder um Jahrzehnte zurückwerfen“, sagte Ex-Ministerin Gewessler, mittlerweile an die Spitze der Grünen aufgerückt.
Keine Entlastung
Tatsächlich zeichnet eine Studie der Technischen Universität Wien ein ernüchterndes Bild: Statt der versprochenen Verkehrsentlastung würde das Milliardenprojekt Wiens verkehrspolitische Ziele konterkarieren. Die Studie prognostiziert eine dramatische Verschiebung zugunsten des Autoverkehrs, gleichzeitig würden die CO2-Emissionen um mehr als 100.000 Tonnen jährlich steigen. Die Entlastung für die Wiener Südosttangente (A23), die meistbefahrene Straße Österreichs und notorisch zugestaut, erweist sich hingegen als Illusion.
Kritik kommt auch vom Umweltverband WWF. „Neue Straßen wirken häufig wie ein Magnet für neue Gewerbeparks. Beim Ausbau von Straßen, wie jetzt bei der Lobau-Autobahn geplant, gehen daher weit mehr Böden verloren, als die Pläne anfänglich glauben lassen“, heißt es von einem Sprecher. Als Beispiel nennt der WWF die Wiener Außenring-Schnellstraße, wo genau das geschehen sei.
Eine neue Petition der Grünen haben mehr als 21.000 Menschen unterschrieben. Sie fordert statt der Straße einen Ausbau von Straßenbahnen, Bussen und Schnellbahnen, um den Nordosten Wiens besser zu erschließen. Dort liegt das größte Stadterweiterungsgebiet Wiens – die Seestadt Aspern. Sie wurde als weitgehend autofreier Stadtteil beworben, die U-Bahnlinie U2 gar eigens dorthin verlängert – binnen 20 Minuten ist man im Stadtzentrum. Doch die Stadt argumentiert, dass es die „Stadtstraße“ und die Autobahn unter dem Nationalpark brauche, um diesen Stadtteil zu erschließen.
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