: Keep cool man!
■ Das Schnürschuh-Theater diskutiert mit Schülern. Doch will man sie auch hören?
Manchmal stolpert man aus dem Theater und das wirkliche Leben erscheint einem blaß. Manchmal ist es aber auch umgekehrt: Dienstagvormittag, Buntentorsteinweg 145. Das Bremer Schnürschuhtheater veranstaltet die erste öffentliche Probe seines neuen Stücks zum Thema „Männergewalt“: „Starker Mann - was tun?“.
Die kleine Bühne liegt im Dunkeln, die Schülerinnen und Schüler im Publikum tuscheln vor sich hin. Da fetzt plötzlich ein Trommelwirbel in die Stille, der alle Lehrer zusammenzucken läßt. „Geil!“ stöhnen drei kleine Mädchen in der ersten Reihe: Auftritt Mike. Mike ist zwanzig und ein ganz Böser: Er schimpft über Schwule und Ausländer, schmeißt die Stühle über die Bühne und stiftet kleine Jungs zum Raubüberfall an. Mike, gespielt von Kurt Wobbe, ist der Problemfall, das merken auch die Kleinsten nach wenigen Sekunden. „Kannst du nicht mal mit dem verdammten Krach aufhören!“ brüllt einer aus der anderen Ecke: Auftritt Jan. Jan, gespielt von Reinhard Lippelt, ist der schlaue Sozialarbeiter, das wird genauso schnell klar. Er solidarisiert sich mit Schwulen und Ausländern, räumt die Stühle wieder weg und hindert kleine Jungs am Raubüberfall.
Jan und Mike sind die beiden Helden des neuen Schnürschuh-Stücks, dessen erste Hälfte Reinhard Lippelt und Kurt Wobbe an diesem Dienstagvormittag präsentiert haben. Während Lippelt den Sozialarbeiter Jan dabei glaubwürdig auf die Bühne bringt, hat Wobbe seine Schwierigkeiten mit der Darstellung des jungen Mike. Kein Wunder - jenseits der 40 spielt sich die midlife-crisis einfach leichter. Das spüren auch die Jungen und Mädchen im Publikum: In der anschließenden Diskussion gibt es auch Lob, in erster Linie aber hagelt es Kritik: „Der Mike meckert über Schwule, aber angezogen ist er genau wie die, mit Lederjacke und so einer Schirmmütze“ ist einer Siebzehnjährigen aufgefallen. „Ihr findet das vielleicht realistisch. Aber die echten harten Jungs sind viel ruhiger als der.“ - „Viel zu hibbelig und nervös“, ergänzt ein Zwölfjähriger, „überhaupt nicht cool“. „Was ist denn cool? - Gebt uns doch mal einen heißen Tip!“ fragen die Schauspieler hilfesuchend. Keine Antwort. Aber das ist ja der heiße Tip: Cool ist, wenn man auf blöde Fragen nicht antwortet.
Das Thema von „Starker Mann - was tun?“ ist Männergewalt. Mit den Worten der Schnürschuh-Leute: „In diesem Stück geht es um starke Männer. Oder sind sie gar nicht so stark? Steckt hinter den Wutausbrüchen nur die Unfähigkeit, eine vernünftige Auseinandersetzung mit Argumenten zu führen?“ Das Zitat aus dem Programmheft formuliert das Problem: Lippelt und Wobbe wissen es besser. Sie wissen, was Mike eigentlich tun sollte: Reden statt zuschlagen; Sich-einfühlen statt Labern. „Wir wollen was bewirken, das unterscheidet uns von anderen Theatern“ sagen Lippelt und Wobbe. Über dieser moralisierenden Haltung aber geht ihnen der genaue Blick auf Mike verloren - und den Zuschauern das Interesse: „Schule find ich besser“, so das Fazit eines Dreizehnjährigen in der Pause.
Sind die Erwachsenen unbelehrtbar? Auch in der zweiten öffentlichen Probe, eine Woche später, hat sich noch nicht viel geändert. Zwar hat Wobbe die Kritik aufgenommen und versucht, den Mike souveräner zu gestalten. Mit geringem Erfolg Erstmal wirkt Mike nur blasser. „Danke schön für die Kritik“, meinen die Schauspieler am Ende der zweiten Veranstaltung. Wenn ihr neues Stück nicht in guten Absichten steckenbleiben soll, gibt es für sie noch eine Menge zu tun. Aber noch fehlt ja die ganze zweite Hälfte. Mal sehen, wie cool Mike drauf ist bei der Premiere...
Anja Robert
„Starker Mann ,was tun?“ spielt ab 25. um 11 Uhr
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