Katholische Kirche in Österreich: Kein Papst in Stützenhofen
Ein Schwuler im Pfarrgemeinderat, ein schnackselnder Pfarrer, ein Kardinal, der sich nicht traut: Österreichs Katholiken machen langsam drei Kreuze unter ihre Kirche.
Skandal in Österreichs katholischer Kirche. Die Ortschaft Stützenhofen im nördlichen Weinviertel, bisher höchstens für ihren fruchtigen Welschriesling bekannt, kommt seit Wochen nicht aus den Schlagzeilen.
In dieser doch etwas abgelegenen Gegend hat es ein Schwuler gewagt, für den Pfarrgemeinderat zu kandidieren. Und wurde auch noch gewählt. Der 26-jährige Florian Stangl, ein nicht nur braver, sondern auch aktiver Katholik, bewarb sich erstmals für diese Funktion. Jetzt ist er aber nicht einer von denen, über die man im Dorf munkelt, sie hätten’s nicht so mit den Frauen. Nein: Er lebt mit seinem Partner in einer eingetragenen Partnerschaft – vulgo Homoehe – in monogamer Beziehung.
Das geht aber wohl gar nicht. Man soll der Kirche nicht vorwerfen, sie hätte sich nicht entwickelt. Schwule werden nicht mehr gesteinigt, wie im Alten Testament empfohlen. Man versucht nicht einmal mehr, dem Dämon per Exorzisten zu Leibe zu rücken. Homosexualität wird heute von der katholischen Lehre als Variante der Natur anerkannt und nicht mehr als Krankheit punziert. Doch ausleben darf man sie nicht: Schwulen und Lesben wird Keuschheit verordnet.
So argumentierte auch, als er von Stangls Kandidatur Wind bekam, Kardinal Christoph Schönborn, als Erzbischof von Wien der zuständige Bischof für das Weinviertel. Doch der Kandidat wollte sich nicht von der Liste nehmen lassen und wurde im März mit hoher Zustimmung gewählt. Da schlug Pfarrer Gerhard Swierzek Alarm. Schönborn solle von seinem Vetorecht Gebrauch machen. Der Kardinal zögerte und entschloss sich dann, den aufrechten jungen Mann kennenzulernen. Er lud ihn zum Essen in sein Palais in Wien und ließ Stangl sogar seinen Partner mitbringen. Und es geschah ein kleines Wunder: Das schwule Pärchen überzeugte den Kirchenfürsten von seiner christlichen Gesinnung. Schönborn zeigte sich nachgerade begeistert vom Verlauf des Gesprächs.
Die Menschen von der Sünde abbringen
Doch hatte er seine Rechnung ohne den polnischen Pfarrer gemacht. Seine Aufgabe sei es, die Menschen von der Sünde abzubringen, so Gerhard Swierzek. Mit einem Sünder wolle er nicht zusammenarbeiten. Daher möge man ihn von seinen Aufgaben in Stützenhofen entbinden. Zusätzliche Würze verlieh dem Skandal eine Exgeliebte des Pfarrers, die den Kirchenmann als Sünder outete. Vor sieben Jahren habe sie eine mehrmonatige Affäre mit ihm gehabt. Und ja, den ersten Schritt habe er getan: „Er hatte seine Probleme mit dem Zölibat.“ Aber Priester bleibt Priester: Sie musste ihm immer wieder das Halleluja singen. Davor? Danach? Während? Hier versagt leider die Recherche der Skandalpresse.
Die Geschichte ist Wasser auf die Mühlen der österreichischen Pfarrerinitiative, die seit Monaten zum Ungehorsam gegen die Kirche aufruft. Sie fordert mehr Rechte für Frauen, will den Zölibat für Priester nur als Option, nicht als Zwang verstanden wissen und sieht auch sonst die Notwendigkeit für frischen Wind, wenn die von Missbrauchsskandalen und Massenaustritten gebeutelte Institution überleben will.
Die Protestanten, wo all das längst gelebt wird, sind in den meisten Regionen Österreichs als Alternative nicht präsent. Schönborn zeigt sich zwar stets dialogbereit, will aber in Fragen des Dogmas keinen Millimeter weichen. Und weiß dabei den Vatikan hinter sich. Hat doch Bendikt XVI. in seiner Osterpredigt auf Österreichs rebellische Pfaffen angespielt und deren Gehorsam eingefordert. In die Niederungen von Stützenhofen hat sich der Pontifex bisher noch nicht begeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos