piwik no script img

Ka­tho­li­k:in­nen gegen AfDKlare Kante für die Demokratie

Wahlaufrufe gegen die AfD? Eindeutige Aussagen zur Stimmabgabe sind von den Kirchen eher nicht zu erwarten. Jetzt preschen Ka­tho­li­k:in­nen vor.

„Die AfD ist keine Alternative – für niemand“, erklärte jetzt der Präsident des ZdK Foto: Ralph Peters/imago

Berlin taz | Eindeutige Wahlempfehlungen, wo Kir­chen­steu­er­zah­le­r:in­nen ihr Kreuzchen machen sollen, geben die Kirchenorganisationen eher nicht ab. Umso erstaunlicher ist daher der Aufruf von Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Via Twitter verbreitete Sternberg: „Die AfD ist keine Alternative – für niemanden“.

Er verteidigt damit eine Erklärung von rund 60 jüdischen Organisationen und Verbänden. Diese hatten explizit dazu aufgerufen, bei der kommenden Bundestagswahl nicht die AfD zu wählen. Antisemiten und Rechtsextreme hätten in der Partei eine Heimat gefunden, hieß es in dem Papier, das auch der Zentralrat der Juden in Deutschland unterstützt. Die AfD sei eine radikale und religionsfeindliche Partei und eine Gefahr für Deutschland. Ihre Vertreter relativierten die Shoah, betrachteten Minderheiten als minderwertig und spalteten die Gesellschaft.

Wenig überraschend, reagierte unter anderem der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla scharf auf die Erklärung der jüdischen Vertreter:innen. Als Minderheitsmeinung tat er den Aufruf ab. ZdK-Präsident Sternberg richtet sich mit seinem Statement auch direkt an Chrupalla: Diese Haltung zeige „seine ganze Verachtung für Demokratie, für jüdisches Leben in Deutschland – für die Kraft des besseren Arguments“.

Richtig progressiv für Kirchenverhältnisse. Wobei ehrlicherweise auch gesagt werden muss, dass das Zentralkomitee nicht das erste Mal vor der AfD warnt. Bereits bei der Europawahl 2019 hatte Sternberg die Gefahr von radikalen Parteien von links und rechts als Gefahr für die Demokratie bezeichnet und als Bedrohung für den europäischen Gedanken.

Die Evangelische Kirche bleibt vage

Weniger eindeutig äußert sich nach wie vor die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Zwar lässt eine Sprecherin ausrichten: „Die EKD hat eine klare Position gegen extremistisches Gedankengut und populistische Stimmungsmache“, aber zu einer expliziten Warnung vor der AfD ringt sie sich nicht durch. Auch in einem gemeinsamen Aufruf zur Wahlbeteiligung mit der Deutschen Bischofskonferenz, ist viel von einem achtsamen, solidarischen und gerechten Miteinander die Rede, davon der Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken, und gegenüber extremistischem Gedankengut rote Linien zu ziehen. Was das genau bedeutet, ist aber irgendwie dann doch Auslegungssache.

Die Initiative Sternbergs kann durchaus als Breitseite gegen die Union verstanden werden. Das C für christlich tragen sowohl CDU als auch CSU in ihrem Parteinamen. Wie weit es mit der Standhaftigkeit bei Nächstenliebe, Demokratieverständnis und einem solidarischen Miteinander in der Gesellschaft ist, das lässt derzeit aber viele Unions-Anhänger:innen zweifeln. Nicht zuletzt durch die Causa Hans-Georg Maaßen. Er tritt als Direktkandidat bei der Bundestagswahl in Thüringen an. Seine Kandidatur sorgt bundesweit für Kritik. Er ist nicht nur Anhänger der Werteunion und AfD-Sympathisant, sondern fiel auch mit fragwürdigen Äußerungen auf, die als antisemitisch und demokratiefeindlich ausgelegt wurden.

Innerhalb der CDU sind die Meinungen gespalten. Parteigranden wie Wolfgang Schäuble sehen in Maaßens Kandidatur lediglich die Vielfalt der Partei. Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, Teil von Armin Latschets Zukunftsteam und selbst jüdischen Glaubens, wirbt lieber für die Wahl von Maaßens Kontrahenten im Wahlkreis, SPD-Mann Ullrich.

Es täte allen Kirchen in Deutschland gut, klare Kante zu zeigen. Im Sinne einer Wahlempfehlung und damit eines echten Aufrufs für solidarisches Miteinander.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ob die Kirchensteuerzahler sich wirklich dafür interessieren, was das ZK der Katholiken so von sich gibt ?



    Der Einfluß der Kirchensteuerzahler auf die Zusammensetzung des ZK´s ist auch nicht viel größer als der Einfluß der Werktätigen auf die Zusammensetzung des ZK der SED.



    Der hier so ausgiebig zitierte Vorsitzende des ZK ist ein langjähriger Politiker der CDU.



    Um überhaupt mal in diesem Amt jemanden zu finden, der kein Unionspolitiker ist, muß man bis zu dem bis 1967 amtierenden Karl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg zurückgehen.



    Dem ZK gehören sogar Politiker von Parteien an, deren Programmatik zur Abtreibung von der Amtskirche als Todsünde bezeichnet wird, das ist das AfD-Programm weitaus kirchenkonformer.



    Daß die katholische Kirche überhaupt so einen Verein anerkennt, ist schon ein starkes Stück.

  • Die Stellungnahme des Zentralkomitees deutscher Katholiken verweist auf einen alten ideologisch-kulturellen Konflikt, der bis in die Kaiserzeit zurückreicht: politischer Katholizismus vs. preußisch-protestantischen Nationalkonservatismus.



    Würden die ideologischen Konfliktlinien in dieser Gesellschaft nicht immer nur ausschließlich entlang des klassischen Links-Rechts-Schemas definiert, wäre es auch nicht besonders bemerkenswert, dass selbst konservative Katholiken sich von der AfD distanzieren, die mehrheitlich als liberal eingeschätzte evangelische Kirche es jedoch nicht tut … ein Blick in die jüngere deutsche Geschichte kann da für Aufschluss sorgen.



    Für traditionelle sozialistische/marxistische Linke mag das alles nicht relevant sein, haben sie doch mit Religion grundsätzlich nichts am Hut … für die Unionsparteien, deren Anhängerschaft sich im wesentlichen auf die beiden großen christlichen Millieus stützt, bietet das jedoch hinreichend internes Spaltungspotential.



    Die christdemokratischen Urgesteine Blüm und Geißler noch vor Augen, ist der politische, sozialstaatlich orientierte Katholizmus in der Union angesichts solcher Gestalten wie Laschet und Merz mittlerweile doch ziemlich auf den Hind gekommen … stattdessen fundamentalistische Opus-Dei-Hatdliner wie Liminski im Hintergrund.



    Apropos: ist der rechtskonservative Maassen nicht Protestant?

  • Was für eine Heldentat von den gläubigen Frauen.....



    Ich weiß nicht von wem das folgende ist:



    "Ein Sozialist kann Christ sein - ein Christ muss Sozialist sein!"



    Ich frage mich immer wieder, welchen christlichen Aspekt diese Leute in den fünf etablierten Parteien sehen. Oder habe ich Jesus nur falsch vermittelt bekommen?

  • Die deutschen Katholiken rufen auf, nicht die Partei rechts von der CDU zu wählen. Was ist bitte ist da jetzt neu?

  • ach so. Wahlempfehlung der Kirchen. So wie früher für die CDUCSU (da war die LInke strikt dagegen), heute also gegen die AfD. Ich hielt das damals und halte das auch heute für grundfalsch. Dass die EKD da nicht so mitzieht hängt wohl mit dem Mitgliederschwund zusammen, denen wird so langsam klar dass die Leute auch wegen der politischen Positionierung vieler Kirchenoberen dem Laden den Rücken kehren. "Gesundschrumpfen" nannte das einer, Die Frage ist nur, wann das Gesundschrumpfen existenzbedrohend wird. Die Katholen sind im Erkenntnisprozess wohl noch nicht so weit.