Katastrophen-Hilfe in Haiti: "Es gibt kein Wasser. Es gibt nichts"
Einen Tag nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti beginnt die internationale Hilfe. Die Situation ist chaotisch – Wasser und Lebensmittel sind knapp, es gab bereits erste Plünderungen.
PORT-AU-PRINCE dpa/apn | Einen Tag nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti läuft die internationale Hilfe für die Überlebenden an. In der Millionenstadt Port-au-Prince herrschen weiterhin chaotische Zustände. Tote konnten zunächst nicht geborgen werden, für zahllose Verletzte gab es keine medizinische Versorgung. Während das ganze Ausmaß der Katastrophe am Donnerstag noch unklar war, lief in aller Welt die Unterstützung für die Überlebenden an. Nach Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) brauchen drei Millionen Menschen - ein Drittel der Bevölkerung - dringend Hilfe.
Etwa 800 Verletzte haben sich nach dem Beben bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen gemeldet. Von ihnen müssen 500 dringend operiert werden, wie ein leitender Mitarbeiter der Organisation, Stefano Zannini, mitteilte. Sie sollen in zwei Krankenhäuser in Port-au-Prince gebracht werden, die nicht zerstört wurden. Allerdings werde schon jetzt das Benzin für Krankentransporte knapp, sagte Zannini. Auch fehle es an Ausrüstung, Medikamenten und medizinischem Personal. Zu einem großen Teil der 800 medizinischen Fachkräfte der Organisation in Haiti gebe es noch keinen Kontakt.
Ein Flugzeug der US-Streitkräfte landete am Mittwoch mit einem Expertenteam in Haiti. Die ersten Frachtflugzeuge mit Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten, Zelten und Spürhunden waren ebenfalls auf dem Weg nach Port-au-Prince. Am Donnerstag wird die Ankunft des US-Flugzeugträgers "USS Carl Vinson" vor der Küste von Haiti erwartet. "Es gibt kein Wasser. Es gibt nichts", sagte der Arzthelfer Jimitre Coquillon, der auf dem Parkplatz eines Hotels Verletzte versorgte. "Die Menschen haben Durst und werden sterben." Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen behandelten Überlebende in zwei Krankenhäusern, die bei dem Beben nicht zerstört wurden. Außerdem wurden in Zelten zwei behelfsmäßige Kliniken eingerichtet.
Die USA schicken 2.000 Marineinfanteristen, zivile Helfer, Schiffe, Transportflugzeuge und Hubschrauber in den Karibikstaat. "Wir müssen in ihrer Stunde der Not für sie da sein", sagte US-Präsident Barack Obama. Außenministerin Hillary Clinton brach eine Auslandsreise ab, um den Hilfseinsatz von Washington aus zu koordinieren. Verteidigungsminister Robert Gates sagte einen geplanten Besuch in Australien ab. Zu den ersten Helfern aus dem Ausland gehörten 37 Bergungsspezialisten aus Island, die Ausrüstung mit einem Gewicht von zehn Tonnen mitbrachten. Frankreich schickte 65 Experten für die Beseitigung von Trümmern und sechs Spürhunde auf den Weg, Spanien stellte unter anderem 100 Tonnen an Zelten, Decken und Kochgerät bereit, die in drei Flugzeuge verladen wurden.
Bereits vor Ort waren mehrere hundert kubanische Ärzte, die Verletzte in Feldlazaretten behandelten. Der haitianische Präsident René Preval sagte dem Fernsehsender CNN, das Ausmaß der Katastrophe sei noch nicht zu fassen. Wahrscheinlich seien tausende von Menschen ums Leben gekommen. Es sei aber noch zu früh, um eine genaue Zahl zu nennen.
Die UN bestätigten, dass 16 ihrer Mitarbeiter getötet wurden, bis zu 150 wurden vermisst. Einen Tag nach dem Erdbeben liefen Überlebende am Mittwoch wie betäubt auf den Straßen umher, vorbei an Leichen und Trümmern. Viele trauerten um Angehörige und Freunde. Einsatzkräfte suchten in eingestürzten Gebäuden nach Verschütteten. In der Vorstadt Petionville gruben sie sich mit Presslufthämmern oder mit bloßen Händen durch die Trümmer eines Einkaufszentrums. In dem verarmten Land setzten bereits kurz nach dem Beben am Montag um 16.53 Uhr Ortszeit (22.53 Uhr MEZ) Plünderungen ein. Viele Menschen holten Nahrungsmittel aus eingestürzten Häusern.
Etwa 3.000 Polizisten und Soldaten der UN-Friedenstruppe bemühten sich um die Sicherheit in Port-au-Prince, ihre Kräfte reichen aber kaum aus. Auch das Hauptgefängnis der Hauptstadt stürzte ein. Mehrere Gefangene sollen geflohen sein.
Informationen zu Spende-Möglichkeiten: "Aktion Deutschland Hilft" und Ärzte ohne Grenzen
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