Kasernen der Bundeswehr: Problematische Traditionspflege
Die Verteidigungsministerin hat angekündigt, die Namen von Kasernen zu prüfen. Die Linke wollte wissen, wie der Stand der Dinge ist.
Solch eine Beherztheit hätte sich mancher auch für die alte Bundesrepublik gewünscht. Seit Jahrzehnten fordern Friedensinitiativen die Umbenennungen von Kasernen, die nach fragwürdigen Personen der deutschen Militärgeschichte benannt sind – und davon gab und gibt es bis heute etliche.
Anders als bei der NVA standen die allerdings nie unter Kommunismusverdacht. Im Gegenteil. Das dürfte einer der Gründe sein, warum gerade mal 13 Bundeswehrkasernen umbenannt wurden – angefangen von der Dietl-Kaserne 1995 bis zur General-Fahnert-Kaserne 2016. Bis heute tragen Kasernen die Namen von „Helden“ der NS-Wehrmacht oder antidemokratischer preußischer Militärs.
Wie schwer sich das Verteidigungsministerium immer noch mit dieser problematischen „Traditionspflege“ tut, zeigt seine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei, die der taz vorliegt. Anlass ist der Fall des terrorverdächtigen Bundeswehroffiziers Franco A. Nach dem Auffliegen des rechtsextremen Bundeswehroffiziers hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Mai nicht nur Bundeswehrkasernen nach Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen lassen, sondern auch angekündigt, die Namensgebung von Kasernen zu prüfen.
Ob die Bundeswehr konkrete Pläne für Umbenennungen habe, wollte der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte nun wissen. Die verquaste Antwort des Ministeriums: „Im Zuge der gegenwärtigen Diskussionen zum Traditionsverständnis der Bundeswehr wurde entschieden, diesen Prozess dort erneut anzustoßen, wo Kasernen nach Personen oder anderweitig benannt sind, die nicht im Einklang mit dem heutigen Traditionsverständnis der Bundeswehr stehen können.“ Bei der Prüfung, ob eine Umbenennung zu erfolgen habe, gelte es, „bei den Bundeswehrangehörigen einen offenen Meinungsbildungsprozess anzustoßen und mit den Vertretern der Kommunen in einen entsprechenden Dialog zu treten“.
„Mehr als dürftig“
Bei neun Kasernen laufe derzeit dieser „Prozess“, der noch 2017 abgeschlossen sein solle. Konkret benennt das Ministerium die Mudra-Kaserne in Köln, die Marseille-Kaserne in Appen, die Lent-Kaserne in Rotenburg, die Feldwebel-Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst, die Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne in Hagenow, die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover sowie die Hindenburg-Kaserne, die Schulz-Lutz-Kaserne und die Peter-Bamm-Kaserne in Munster.
Doch das sind keineswegs die einzigen Truppenunterkünfte mit problematischen Namen. Die beiden Rommel-Kasernen in Augustdorf und Dornstadt sind beispielsweise nicht Teil der Überprüfung. Nach Auffassung des Ministeriums würden neuere historische Forschungen den Schluss nahelegen, dass Hitlers „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel „den Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944 näher stand als bislang angenommen“. Außerdem sei er durch seinen erzwungenen Selbstmord „selbst Opfer des NS-Regimes“.
Linksparteiler Jan Korte empört das: „Die Entscheidung und Begründung von der Leyens, an Rommel als Namenspatron und Traditionsstifter festzuhalten, ist unfassbar.“ Damit beleidige die Bundesregierung „Zehntausende wahre Widerstandskämpfer“, sagt der Abgeordnete. „Rommel war einiges, aber kein Widerständler.“ Die Verteidigungsministerin solle „endlich Tabula rasa und Schluss mit jeglichem positiven NS-und Wehrmachtsbezug machen“.
Korte hält die bisherige Bilanz in puncto Kasernenumbenennungen für „mehr als dürftig“. Auch die jetzigen Ankündigungen offenbarten „eher eine anhaltende Halbherzigkeit als eine tatsächliche Abkehr von der bisherigen unseligen Traditionspflege“.
Auf Kortes Frage, ob im Falle von Umbenennungen Kasernen auch nach Widerständlern und Deserteuren benannt werden sollen, blieb das Ministerium eine Antwort schuldig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül