Karriere eines SPDlers: Stöß ist jetzt fast ganz oben
Der frühere SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß wird Staatssekretär in der Bundesregierung. 2014 wollte er Regierender Bürgermeister werden.

Der Name des heute 51-Jährigen ist in der Berliner Landespolitik mit einem in den vergangenen Jahrzehnten einmaligen abrupten Führungswechsel verbunden: Stöß löste 2012 den damaligen Landesvorsitzenden Michael Müller ab, nicht etwa, wie oftmals beschrieben, in einem „Putsch“, sondern ganz regulär mit einer Mehrheit bei einem Landesparteitag. Zu groß war in der SPD der Wunsch geworden nach mehr Abstand zwischen Parteispitze und dem damals schon seit elf Jahren amtierenden und überregional zur Berliner Ikone gewordenen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit.
Nach diesem Erfolg schien Stöß auf dem Weg zu sein, auch Amtsnachfolger von Wowereit zu werden. Dieser kündigte 2015 an, sein Amt mitten in der Wahlperiode aufzugeben. Doch bei dem folgenden SPD-Mitgliederentscheid sprach sich eine absolute Mehrheit schon im ersten Wahlgang für den wieder erstarkten Müller aus. Eineinhalb Jahre später holte der sich auch den Parteivorsitz zurück.
Stöß' Politikerkarriere schien damit beendet, nachdem auch eine Kandidatur für das Abgeordnetenhaus scheiterte. Noch früher war er auch bei dem Versuch unterlegen, Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg zu werden, wo er SPD-Kreischef und kurzzeitig Stadtrat war.
Zwei Jahre am Bundesverfassungsgericht
Wie in einem politischen Abklingbecken arbeitete Stöß, nach seinem Studium gut zehn Jahre Verwaltungsrichter, bis 2019 einige Zeit auf allerhöchster Ebene juristisch, als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Es folgten Führungspositionen im Regierungsapparat von Berlin und Bremen, bevor Stöß auf die Bundesebene zurückkehrte – wo er als Mitglied des SPD-Parteivorstands schon einmal war: 2022 wurde er Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium. Dort lernte ihn offenbar Boris Pistorius zu schätzen, der wenig später dort Minister wurde. Der beförderte ihn nun auf eine neu eingerichtete dritte Stelle als Staatssekretär in seinem Ministerium.
Michael Müller hingegen, der Mann, dem Stöß 2014 in der Wowereit-Nachfolge unterlag, ist derzeit mit nur 60 Jahren unfreiwillig in Politik-Rente: Die Berliner SPD sprach sich für jüngere und linker orientierte Köpfe aus, als es vor der Bundestagswahl im Februar darum ging, wer über die Landesliste der Partei sicher ins Parlament kommen würde. Müllers 2021 begonnene Zeit im Bundestag endete somit schon nach dreieinhalb Jahren, weil er im Zuge des SPD-Niedergangs knapp auch in seinem Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf nicht erneut gewinnen konnte.
Und Raed Saleh, der 2014 mit nur 37 Jahren erstmals versuchte, Berlins Regierungschef zu werden? Der ist, auch wenn er nicht mehr Landesvorsitzender, mächtiger und einflussreicher denn je im SPD-Landesverband. Für die Abgeordnetenhauswahl 2026 deutet viel darauf hin, dass Saleh der SPD-Spitzenkandidat und Herausforderer von CDU-Regierungschef Kai Wegner sein wird – wodurch die Sache zu einem Duell zweier Spandauer würde.
Parallele zu Saleh: Immer wieder aufgestanden
Das wollen nicht alle, weshalb bei den Sozialdemokraten auch schon mal vage von einer „Lösung von außen“ zu hören ist. Die aber gilt zunehmend als unwahrscheinlich. Denn die Berliner SPD könnte sich bei der Kandidatensuche, wenn überhaupt, nur in der Resterampe jener Parteifreunde bedienen, die es jüngst trotz überraschend vieler SPD-Ministerposten nicht in die schwarz-rote Bundesregierung schafften.
Saleh hingegen hat nach dem Rückschlag des verlorenen Parteivorsitzes jene Beständigkeit und Boxerqualitäten gezeigt, die sich auch im Werdegang seines 2014er-Konkurrenten Stöß zeigen: Niederlage annehmen, wieder aufstehen, sich schütteln – und dann weiter machen. Den einen hat das nun immerhin in die zweite Reihe der Bundesregierung geführt.
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