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Karneval der Kulturen in BerlinKreuzberg in Berlinerbunt

Der Straßenumzug des Karnevals der Kulturen ist immer ein Spektakel – und nur Folklore? Nicht für alle. Vier Gruppen sagen, was sie politisch bewegt.

Gut drauf: Pfingstsonntag beim Karneval der Kulturen Foto: Christian Mang

Gegen zehn Uhr morgens ist die Yorckstraße an diesem Pfingstsonntag noch fast leer. Hier und da stehen Menschen mit gelben Westen und Funkgeräten – oder meist sitzen sie am Bordsteinrand. In die breite Allee in Kreuzberg trudeln in unregelmäßigen Abständen mal größere, mal kleinere Gruppen ein. Zu den Organisatoren in Gelb gesellen sich allerhand Menschen aus unterschiedlichsten Nationen in teils farbenfrohen Kostümen. Die Szenerie der Straße ändert sich. In diesen Stunden wird die Straße immer bunter: berlinerbunt! Denn von hier aus startet der Umzug zum Karneval der Kulturen. Aber wie viel Politik steckt noch hinter der Fassade des Kommerz?

Nepal ein Gesicht geben

Ein wenig abgelegen in einer Seitenstraße hat die Umzugsgruppe Nepal Jatra ihren Platz, an dem der noch einsame Umzugswagen steht. Pratik Dhakal ist seit der Entstehung vor sieben Jahren mit dabei und erklärt, wie es zu der Gründung kam. „Wir leben in Berlin und wussten, dass es jedes Jahr den Karneval der Kulturen gibt. Wir haben uns ein paarmal den Karneval angeguckt und fanden: Da gibt es keine Gruppe aus Nepal“ erinnert sich der Wahlberliner, der 2008 zugezogen ist, „wir kennen ganz viele Nepalesen in Berlin und dann haben wir uns zu einer Gruppe zusammengeschlossen.“

Er ist mittlerweile schon ein alter Hase im Organisieren. Zur Kritik der Kommerzialisierung des Karnevals hat Dhakal eine klare Meinung: „Wir machen das alle als Freiwillige, ohne Belohnung. Die Tänzer üben zwei Monate lang und die Musiker auch. Die Leute, die den Wagen bemalt haben, machen das seit einem Monat und keiner wurde dafür bezahlt. Wir sehen das gar nicht.“ Die Finanzierung gestalte sich jedes Mal schwierig, „Wir müssen eigentlich jedes Jahr betteln, dass wir ein bisschen Geld zusammenkriegen, um die Veranstaltung hier auf die Beine zu kriegen. Wir kommerzialisieren nichts.“

Karneval der Kulturen 2019

Beim Straßenumzug am Pfingstsonntag waren in diesem Jahr rund 4.400 TeilnehmerInnen dabei. Wie immer säumten Hunderttausende die Straßen, als der Karnevalsumzug von der Ecke Yorckstraße/ Großbeerenstraße bis zum Hermannplatz lief. 23 der 74 Gruppen verzichteten – zugunsten des Klimas – auf motorisierte Fahrzeuge und setzten stattdessen auf Bollerwagen und Rikschas.

Rund 5.000 Kinder feierten am Samstag ihren eigenen Karneval unter dem Motto: „Den Eisbären wird’s zu heiß – retten wir das Eis!“ Beim Kinderfest im Görlitzer Park wurden laut Veranstalter rund 30.000 Besucher gezählt. Zeitgleich organisierten linke Gruppen den Karneval der Subkulturen in Friedrichshain und Kreuzberg. Mottos: „Scheiß Gentrifizierung“ und „Wir bleiben alle“. (taz, dpa)

Eine Idee aus Tübingen

Alireza Rismanchian ist mit seiner Gruppe FolkBär dieses Jahr zum ersten Mal beim Umzug dabei. Mit ihrem Stellplatz sind sie beim Aufbau mittendrin im Trubel. Die Musikanten aus verschiedensten Ländern mit bunten Schaumstoffhüten haben laut Rismanchian eine klare Nachricht mitgebracht: „Die Message, die wir ausstrahlen wollen, ist, dass man sich durch Musik verbinden kann.“

Das würde man bereits bei den Treffen der Gruppen merken, so Rismanchian. „Am Anfang, wenn sie kommen, wissen die Menschen teilweise nicht, wie die anderen heißen, aber werden durch die Musik unglaublich tief verbunden. Und auf dieser Basis, dass man sich mag, weil man zusammen musiziert, fängt danach die Konversation an: Wie heißt du eigentlich, woher kommst du?“

Die Idee der Gruppe, Folkloremusiker aus aller Welt zusammenzuführen, entstand bereits vor sechs Jahren. „Das Grundkonzept kommt aus Tübingen“, erklärt Rismanchian. „Die Gruppe heißt Folklang und ist mittlerweile ein Orchester aus 80 bis 100 Leuten aus 20 Ländern.“ Als Rismanchian mit drei seiner Kollegen nach Berlin kam, hat ihm das „wahnsinnig gefehlt“. Darum haben sie eine Gruppe nach diesem Vorbild auch in Berlin gegründet.

Tanz für eine bessere Welt

„Wir haben eine ganz eigene Facette von Darbietung“, erklärt Stella Caric, die einen schwarzen Balken ins Gesicht geschminkt hat. „Und dieses Jahr haben wir das Thema Solidarität und Verbundenheit.“ Die Gruppe #was bewegt dich ist eine Tanzgruppe, die schon letztes Jahr mit einer politischen Choreografie auffiel, mit der sie die Verschmutzung der Meere anprangerte. „Über unsere Bewegung wird man sehen, dass Dinge und Menschen aneinanderhängen. Und gleichzeitig ist es aber auch total schön, sich innerhalb dieses Netzes zu binden und zu merken, wie viel Stabilität, Sicherheit und Ruhe es einem geben kann.“

Aber neben dem politischen Anliegen hat Stella auch eine ganz persönliche Motivation. Sie findet es „ehrlich gesagt viel cooler, beim Karneval mitzumachen, als ihm zuzugucken, weil das irgendwie viel mehr Leben hat. Ich freue mich, davon Teil zu sein und darin aufzugehen.“

Lokal, politisch und laut

Gitarre, Verstärker und ein fahrendes Schlagzeug. Mit seinen Drumsticks in der Hand erklärt Ulrich Schweizer, Initiator der Gruppe savemauerpark/Volt12: „Wir sind ja jedes Jahr dabei und es ist einfach wichtig, Musik in der Öffentlichkeit zu machen.“ Dabei geht es ihm vor allem um den Mauerpark, der nicht nur am Sonntag mit seinem wöchentlichen Flohmarkt zur Touristenattraktion wird, sondern auch unter der Woche Musikern als Treffpunkt dient.

Aufgrund von Beschwerden der Anwohner wurde das Musizieren in der Grünanlage bereits deutlich eingeschränkt. „Unser Anliegen war, dass man weiterhin Musik spielen kann. Als wir den Umzug angemeldet haben, da war es überhaupt nicht klar, ob noch Musik gespielt werden darf.“

Auf dem Umzug hingegen nutzt Schweizer jede Minute, um seine Leidenschaft auszuleben. Selbst am Hermannplatz, an dem die erschöpften Tänzer und Musiker den Heimweg antreten, steht er mit seiner Band in einer Seitenstraße und rockt weiter. Solange man ihn lässt.

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1 Kommentar

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  • Ich war entsetzt, als ich gestern, beim Besuch des Straßenfestes auf dem Karneval der Kulturen, soviel Müll auf den Gehwegen und den Straßen sah. Überall lagen kaputte Glasflaschen, Plastikbesteck, Plastikgläser, Plastikteller, Pappe, etc. herum. Sowohl die Veranstalter als auch der Bezirk sollten dafür sorgen, dass der Müll entsorgt werden kann. Tatsächlich gab es keine Müllcontainer, sondern nur die ohnehin viel zu kleinen und zu wenig aufgestellten Papierkörbe, welche alle überquillten. Darüber hinaus sollte man auf so einem Fest auch die Umwelt schonen und nicht noch mehr Plastikmüll produzieren.