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Karlsruher Beschluss zu RundfunkfreiheitDurchsuchung bei Redakteur war verfassungswidrig

Wegen eines Links ist die Wohnung eines Redakteurs des linken Radios Dreyeckland durchsucht worden. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet das nun.

Radio Dreyeckland: Der Sender in Freiburg ist das älteste freie Radio Deutschlands Foto: Patrick Seeger/picture alliance
Christian Rath

Aus Freiburg

Christian Rath

Die Wohnungsdurchsuchung bei dem Freiburger Journalisten Fabian Kienert hat die Rundfunkfreiheit verletzt. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem noch nicht veröffentlichten Beschluss, der der taz bereits vorliegt. Die Wohnung eines Journalisten dürfe nicht aufgrund eines vagen Verdachts durchsucht werden.

Kienert ist Redakteur des links-alternativen Freiburger Senders Radio Dreyeckland (RDL). Im Juli 2022 hatte Kienert auf der RDL-Webseite einen kurzen Artikel veröffentlicht, in dem es um die seit 2017 verbotene linksradikale Agitationsplattform linksunten.indymedia ging. Der Text endet mit dem lapidaren Satz: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.“ Dabei war die Archivseite auch verlinkt.

Wegen dieses Links ließ die Staatsanwaltschaft Karlsruhe im Januar 2023 Kienerts Wohnung durchsuchen und erhob im April 2023 Anklage gegen ihn. Kienert habe durch den Link die Fortführung der verbotenen Vereinigung linksunten.indymedia unterstützt, was laut Paragraf 85 des Strafgesetzbuches strafbar ist. Das Oberlandesgericht Stuttgart billigte im Juni 2023 die Durchsuchung.

Kienert drohten bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Doch das Landgericht Karlsruhe sprach Kienert im Juni 2024 in vollem Umfang frei. Weder sei die Fortexistenz von linksunten.indymedia nachweisbar, noch sei ein bloßer Servicelink eine strafbare Unterstützung.

Keine plausiblen Gründe für die Durchsuchung

Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ging es nun im Kern um die Wohnungsdurchsuchung vom Januar 2023. Die Karlsruher Rich­te­r:in­nen stellten klar, dass auch die Durchsuchung der Privatwohnung eines Redakteurs ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit sein kann, zum Beispiel, wenn der Redakteur dort seinen beruflich genutzten Laptop aufbewahrt, wie es Kienert tat. Auch die Durchsuchung der Privatwohnung eines Journalisten könne einschüchternde Wirkung haben.

Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt gewesen, so der BVerfG-Beschluss, denn es habe keine plausiblen Gründe für die Durchsuchung gegeben. Die bloße Existenz der seit Jahren nicht mehr aktualisierten Archivwebseite reiche nicht für die Annahme, dass die Vereinigung, die die Plattform einst betrieb, noch besteht. So sei bereits unklar gewesen, wer die Archivseite überhaupt eingerichtet hatte. Die Rundfunkfreiheit schütze davor, dass Radio-Redakteur:innen aufgrund vager Vermutungen strafverfolgt werden.

Zur praktisch relevanten Frage, ob schon das bloße Setzen eines Links als strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung gelten kann, sagten die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen leider nichts.

„Ich hoffe, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu beiträgt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft künftig weniger leichtfertig mit Grundrechten umgehen“, erklärte RDL-Redakteur Kienert nach Erhalt des Beschlusses. (Az.: 1 BvR 259/24)

Transparenzhinweis: Der Autor ist rechtspolitischer Korrespondent der taz und produziert bei Radio Dreyeckland die Musiksendung „Keine Heimat (Euro-Folk)

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