Karliczek spricht sich
für Zentralabitur aus

Die Bundesbildungsministerin unterstützt die Forderungen nach mehr Vergleichbarkeit

Länder greifen sich nur Bruchteil der „gemeinsamen“ Aufgaben heraus

Von Ralf Pauli

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat sich am Wochenende für bundesweit einheitliche Abiturprüfungen ausgesprochen. „Die Vergleichbarkeit von Abschlüssen ist wichtig. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit“, sagte Karliczek in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten.

Damit unterstützt Karliczek ihre Amtskollegin aus Baden-Württemberg, Susanne Eisenmann (CDU). Die hatte vergangene Woche gefordert, innerhalb von fünf bis zehn Jahren ein zentrales Abitur einzuführen: „Am Ende muss es nicht nur deutschlandweit dieselben Prüfungsaufgaben geben, sondern auch einheitliche Regeln dafür, welche Fächer ins Abitur eingebracht werden.“

Bislang erstellt jedes Bundesland eigene Abituraufgaben. Auch gibt es große Unterschiede bei der Gewichtung der Leistungen aus der Oberstufe sowie bei den Prüfungsfächern. So müssen AbiturientInnen in München in Mathe, Englisch und Deutsch antreten, in Berlin kann man Mathe umgehen.

Um das Abitur vergleichbarer zu machen, haben die Bundesländer vor zwei Jahren einen gemeinsamen Aufgabenpool für Mathe, Deutsch und Englisch eingeführt. Erstellt werden die Aufgaben vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin. Doch die gemeinsamen Aufgaben führen nicht unbedingt zu mehr Vergleichbarkeit, wie das diesjährige Mathe-Abitur zeigt.

Denn erstens greifen sich die Länder nur einen Bruchteil der „gemeinsamen“ Aufgaben heraus: Die Quote liegt bei 12 bis 15 Prozent. Zweitens dürfen die PrüferInnen die Pool-Aufgaben nach den eigenen Vorstellungen abändern. Und drittens bewerten die Länder die Ergebnisse auch noch unterschiedlich. In zwölf Bundesländern reichten AbiturientInnen nach der Prüfung im Mai eine Petition an das jeweilige Ministerium ein, weil die Mathe-Prüfung zu schwer gewesen sei. Hamburg und das Saarland haben daraufhin die Schnitte nach oben korrigiert. In den übrigen Ländern blieben die Noten, wie sie waren.

Das sorgt nicht nur unter den SchülerInnen für Frust. Der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) beklagte, dass sein Bundesland als einziges alle Aufgaben aus dem zentralen Mathe-Pool verwendete. Die baden-württembergische Kultusministerin Eisenmann sieht dessen Ziel, die Abiturnoten vergleichbarer zu machen, als verfehlt an: „Unsere Bemühungen für mehr Einheitlichkeit sind bislang ins Belieben der Länder gestellt.“ Und der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, kritisiert: „Welchen Sinn haben Aufgabenpools, wenn einzelne Bundesländer diese nicht in Anspruch nehmen beziehungsweise eigenmächtig nachträglich in Abiturbewertungen eingreifen, um vermutete Nachteile für ihre Landeskinder zu vermeiden?“

Dass die Bundesregierung handeln muss, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2017 festgestellt. Das Abitur-Chaos verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Denn bei Studiengängen mit NC wie bei Medizin, wo jede Kommastelle entscheidet, sind BewerberInnen aus Bundesländern mit schwerem Abitur benachteiligt.

Tatsächlich variieren die durchschnittlichen Abiturnoten je nach Bundesland erheblich: Seit Jahren erzielt Thüringen die besten Schnitte. Auch dieses Jahr liegt der Freistaat mit 2,18 um fast eine halbe Note vor Niedersachsen (2,56). Die Karlsruher Richter verfügten deshalb, dass die Universitäten neben dem Abitur weitere Zugangskriterien wie Auswahlgespräche oder Tests anwenden müssen. Schritte, die mit einem bundesweit vergleichbaren Abitur nicht notwendig wären.

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