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Karliczek über RegenbogenfamilienIgnoranz der Forschungsministerin

Anja Karliczek (CDU) begründet ihre Ablehnung des Adoptionsrechts für Homo-Paare mit „fehlenden Studien“. Die gibt es schon längst.

Karliczek beleidigt mit ihrer Forderung alle gleichgeschlechtlichen Paare mit Kindeswunsch Foto: dpa

Anja Karliczek (CDU) war im Juni 2017 noch einfache Bundestagsabgeordnete, als mit der „Ehe für alle“ endlich die vollständige rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren beschlossen wurde. Sie stimmte damals dagegen. Ihre Begründung: „Im Gegensatz dazu, wie immer behauptet wird, gibt es keine Langzeitstudien zu den Auswirkungen auf Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Meiner Einschätzung nach ist es für die Entwicklung von Kindern wichtig, das emotionale Spannungsfeld zwischen Vater und Mutter zu erleben.“

In der n-tv-Sendung „Klamroths Konter“ bekräftigte die heutige Ministerin jetzt ihre Position und forderte erneut eine Langzeitstudie: „Da sind wir immer sehr schnell unterwegs, ohne über diese Fragen wirklich langfristige Erkenntnisse zu haben. Das stört mich“, sagte sie in der Sendung.

Ihre Position war damals wie heute absurd. Auch ohne Studie wäre die Behauptung, dass die Erziehung durch zwei Männer oder zwei Frauen negative Auswirkungen auf das Kind habe, schwulen- und lesbenfeindlich. Diese Unterstellung schwingt zumindest latent mit. Die Forderung ist eine Beleidigung aller schwulen und lesbischen Paare mit Kindeswunsch, die sehnlichst auf die Möglichkeit zur Adoption gewartet und dafür lange gekämpft haben.

Gesellschaftliche Strukturen werden nämlich nicht „mal eben so im Federstrich“ verändert, wie Karliczek bei n-tv behauptete. Der Beschluss zur „Ehe für alle“ war das Resultat eines jahrzehntelangen Emanzipationsprozesses, der von schwulen, lesbischen und bisexuellen Bewegungen angestoßen wurde.

Sexuelle Orientierung nicht entscheidend

Doch ihre Forderung nach Langzeitstudien ist auch abgesehen davon fehl am Platz: Diese Studien gibt es bereits, und zwar sehr viele davon und seit langer Zeit. Beispielsweise eine vom Justizministerium beauftragte Studie kam im Jahr 2009 zu dem Schluss, „dass für das Wohlergehen eines Kindes nicht die sexuelle Orientierung der Eltern, sondern die Beziehungsqualität und das Klima in der Familie“ entscheidend sei.

Die Columbia Law School listet sogar 75 Studien auf, die feststellten, dass Kinder in Regenbogenfamilien keine Nachteile hätten. Die Forschungsministerin ignoriert offenbar das Wissenschaftssystem, für das sie zuständig ist.

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7 Kommentare

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  • Reichlich dämlich ist - neben vielem anderen in dieser Angelegenheit - Karliczeks Aussage, es würden "im Federstrich" gesellschaftliche Veränderungen vorgenommen.



    Es wurde ja nicht per Gesetz die Gesellschaft geändert, sondern das Gesetz den gewandelten gesellschaftlichen Wirklichkeiten angepasst. Wenn dieser Wandel Karliczek überfordert, wenn sie zu langsam war, ihn zu verarbeiten - dann ist das ganz allein ihr Problem. Es spricht dann allerdings nicht unbedingt für ihre Eignung, an vorderster Stelle Verantwortung für die Fortentwicklung des Landes zu tragen. Erst recht nicht im Ressort Wissenschaft, wo sich bekanntlich alles im ständigen und oft sehr raschen Wandel begriffen ist.



    Sie muss sich in ihrem Fachgebiet fühlen wie die Schnecke, die auf dem Rücken der Schildkröte reitet und laut "heeey, nicht so schnell!" ruft.

  • Puh, da geht der Autor sehr weit. Die Meinung, welche die Ministerin vertritt beleidigt niemanden. Die Ansicht, dass es für ein Kind von Vorteil ist, zwei unterschiedliche Geschlechter kennen zu lernen, ist nachvollziehbar. Genausogut kann man jedoch eine andere Meinung vertreten. Egal welche Meinung man letzlich vertritt, eine Beleidigung liegt jedenfalls nicht vor.

    Nach meiner Meinung wäre es besser gewesen, das Ehe- und Adoptionsrecht unabhängig voneinander zu regeln. Das Eherecht hätte jederzeit eingeführt werden können. Mir ist ziemlich egal, wer wen heiratet. Beim Adoptionsrecht wäre eine echte gesellschaftliche Debatte (und zwar nicht hinter dem Feigenblatt des Eherechtes) besser gewesen. "Ehe für alle" muss ja nicht zwangsweise "Adoptionsrecht für alle" bedeuten.

    Nur weil es Regenbogenfamilien gibt muss sich der Staat ja nicht an der Schaffung weiterer Regenbogenfamilien beteiligen.

    Im Ergebnis ist mir persönlich eine funktionierende Homofamilie für das Kind lieber als ein scheiternder Heterohaushalt. Aus den von der Ministerin angeführten (meines Erachtens vertretbaren) Gründen würde ich persönlich eine Vorrangvariante zugunsten der Heterofamilie einführen, welche immer dann greift, wenn mehrere ansonsten gleichwertige Familien zur Auswahl stehen.

  • Die Legalisierung der Genitalverstümmelung bei Jungen ist jedenfalls ohne vorherige Studien erfolgt., wie die sich diese auf das Geschlechtsleben und insbesondere das Aggressionsverhalten der minderjaehrigen Opfer auswirkt.

  • Alles richtig was aufgeführt wird.



    Allerdings sehe ich hier gar keine Beweisschuld, über die Ngeativität der Aurswirkungen.



    Aus wissenschaftlichem Standpunkt müsse die sehr viel aufgeblähtere Theorie es gäbe negative Auswirkungen durch Fakten gestützt werden. Vorher würde das gar keine Rolle spielen, da diese Schlussfolgerung nicht logisch ableitbar und auch kein bisschen naheliegend ist

  • Das ist also die Forschungsministerin?

    Selbst wenn es Studien gäbe, die (gegenteilig zu den bisherigen von Anja ignorierten) feststellten, dass es schädlich für Kinder wäre, in Familien mit gleichgeschlechtlichen Partnern aufzuwachsen, was änderte dies daran, dass Elternteile homosexuell sind, mit ihren Partnern und auch mit ihren Kinder zusammenleben, ob nun mit Trauschein oder ohne? Welche Konsequenz wollte da die Anja da (natürlich ganz unübereilt) ziehen?

    Die gesellschaftliche Struktur, dass es Homosexualität gibt, ist gar keine, homophobe Strukturen gibt es indes. Und die gilt es zu überwinden, wenn Anja da wohl eher beratungsresistent ist.

    Mit ihren unwissenschaftlichen, ja strunzdummen, Aussagen hat sich die Anja völlig diskreditiert.

    • @Laurenz Kambrück:

      Ist es frauenfeindlich gemeint, wenn Sie die Ministerin hier mit ihrem Vornamen ansprechen?

  • Gibt es eingentlich Langzeitstudien, die belegen, dass heterosexuelle Beziehungen besonders gut für Kinder sind? Zum Beispiel in Familien, in denen der Heteromann die Frau durchprügelt? Ist das das Spannungsfeld, dass Frau Karliczek meint?