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Karitativer Luxus

Schriften zu Zeitschriften: „The Daily African“ vom Bekleidungshersteller Diesel stellt die Welt auf den Kopf – Neues vom Boomkontinent Afrika

von VOLKER WEIDERMANN

Die Welt ist gut und reich und schön. Na ja. Nicht die ganze Welt. Aber doch der wichtigste, der entscheidende Teil. Der Weltenteil, in dem von früh bis spät die Sonne scheint, der umgeben ist von feinen weißen Stränden, von Palmenwuchs und blauem, blauem Meer. Ein Kontinent des Müßiggangs, der Sorglosigkeit, des Überflusses: Die Rede ist, Sie haben es sich schon gedacht, von Afrika, dem Kontinent im Zentrum der Welt.

Doch dieser Weltenteil des Glücks denkt nicht immer nur an sich. Einige Sekunden im Jahr seiner sorglosen Bewohner widmet man gerne den hungernden, ausgemergelten, blassen und verarmten Mitmenschen in den nördlichen Teilen der Welt, in Europa und in Nordamerika. Einmal im Jahr gibt man sich sogar einen ganzen Abend lang den Sorgenkindern der Welt hin: auf den Charity-Partys EuroAid und AmericAid, auf denen die Reichsten und Schönsten des Sonnenkontinents zusammenkommen und ein hübsches Sümmchen für Champagner und Buffet hinlegen, das daraufhin direkt in den Not leidenden Norden transferiert wird.

„Wir können doch nicht einfach zusehen, wie ein ganzer Kontinent im Elend versinkt“, erklärte E-Commerce-Guru Mderko Derko auf der diesjährigen EuroAid-Party, die insgesamt 80 Millionen Afro (110 Millionen US-Dollar) als Notopfer einbrachte.

Aber das ist nicht alles, was der Sonnenkontinent für uns tut: Die Zeitschrift Lifestyle, eine Hochglanzbeilage des The Daily African, hat es unternommen, in seiner neuesten Ausgabe nicht nur über die Charity-Partys ausführlich zu berichten, sondern hat zusätzlich noch der Hilfsorganisation Roter Speer kostenlosen Anzeigenplatz zur Verfügung gestellt, um die Leserinnen und Leser von Lifestyle für die Nöte des Nordens zu sensibilisieren. „Food for Europe, please“ steht da etwa auf einer grauen, krisseligen, hässlichen, elenden Seite, die eine beinahe leere Spendendose zeigt.

Auf der gegenüberliegenden Seite lächeln bestgekleidete, bestgelaunte, bestbesonnenbrillte Afrikanerinnen und Afrikaner, die für die Elendsgebiete der Welt trinken, tanzen, lachen und feiern. Außerdem hat das Magazin die aktuelle Miss World, die Afrikanerin Silvia Islandmountain (eigentlich Silvia Mogdallbahti) zu Hause besucht, die mitleidig über ihre chancenlosen, bedauernswerten Konkurrentinnen aus Schweden und der Schweiz erzählt. Und es gibt Ferienberichte aus Mombasa Beach, dem Top-Strand von Afrikas Reichsten. Partyreportagen aus der Welt der neuesten Ökonomie, die dem Kontinent vor einiger Zeit den Reichtum brachte, runden das journalistische Angebot ab.

Die Berichte und Reportagen werden von der sensiblen Redaktion immer wieder mit unauffälligen Hinweisen unterbrochen, dass etwa die Kosten einer Taxifahrt von Downtown Bujumbura in die Vororte eine Familie in Europa einen ganzen Monat lang ernähren kann.

Das ganze Magazin ist ein Lese- und Anschauungsgenuss mit bestem Gewissen über eine Welt im Überfluss, die uns hier oben trotzdem noch nicht ganz vergessen hat. Eine rundum gute Sache. Den Vertrieb des Magazins in Europa hat übrigens die Bekleidungsfirma Diesel übernommen. Vielleicht nur ein Zufall, dass all die wunderschönen Afrikanerinnen und Afrikaner in Lifestyle ausnahmslos in Diesel gekleidet sind. Vielleicht ist es aber auch alles nur ein Fake und Lifestyle ein großartiges Werbeblättchen – ab sofort bei Ihrem Jeanshändler (oder unter www.dailyafrican.com).

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